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Erkennen der eigenen Privilegien?
Verfasserin: Wallner Constanze

Wenn Sie diese Überschrift lesen, was stellen Sie sich darunter vor? Privilegien im Sinne von Gesundheit, im Sinne von Geld, im Sinne von beruflichen Aufstiegschancen? Oder nun etwas ganz anderes?

Im Grunde genommen bedeutet das Wort Privileg, wie es Melisa Erkurt in einem Kapitel „Privilegien erkennen“ ihres Buches „Generation Haram“ zum Ausdruck bringt, gewisse Chancen zur Verfügung zu haben, dafür trotzdem hart arbeiten zu müssen, mehr oder weniger, und diese letztendlich zu erlangen. Sie denken sich wahrscheinlich nun, dass dies selbstverständlich ist. Doch ist es das wirklich?

Um der traurigen Wahrheit ins Auge zu blicken, bekommen beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund ca. um die Hälfte weniger Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch als Menschen ohne Migrationshintergrund, zumindest in Österreich, wie es Melisa Erkurt hervorhebt. Diese erhalten somit eine Chance, arbeiten hart dafür und bekommen nun allerdings ihren Wunsch nicht erfüllt. Doch wäre dies der einzige Punkt, in dem Privilegien über gewisse Lebensentscheidungen, Erfolge und Jobangebote bestimmen, wäre im Grunde genommen „alles in Ordnung“. Oder?

Um es nun pointiert darzustellen: Jede Person auf diesem Planeten trägt ein gewisses Päckchen mit sich, metaphorisch zu verstehen, in dem sich bestimmte emotionale sowie körperliche Lasten, Lebensversicherungen, dramatische Erinnerungen, Weisheiten, Lebenseinstellungen etc. befinden. Seien es für den Einen die große Menge an Geld, die verdient werden und die es gilt effektiv zu investieren, sind es für den Anderen die Sorgen, nicht genug Geld für die Familie zu erarbeiten. Dieses Ungleichgewicht an Lasten, die alle Menschen in größerer oder kleinerer Form auf ihrem Rücken tragen, kristallisierte und kristallisiert sich vor allem während der Corona-Pandemie heraus.

Als Beispiel profitiert eine bestimmte „Fitness-Influencerin“ sehr stark von der Pandemie, in dem sie pro Woche ca. zwei neue „Workout-Videos“ auf der Plattform „YouTube“ hochladet. Ihre Follower und Followerinnen* sehen dies als Option zum Training im Fitness-Studio, nutzen dies und die Einnahmen dieser Person sind fast höher als vor der Pandemie, das für den oder die natürlich hervorragend ist. Im Gegensatz dazu sind die Fitness-Studios, die nun schon seit November geschlossen sind, im Kampf ums nackte Überleben, da sie die anstehenden Kosten nicht mehr mit den Einnahmen durch die Mitglieder abdecken können. Zudem steigt das Risiko, dass viele Menschen, die zuvor gerne ihr Training in einem gemeinschaftlichen Sportstudio durchlebten, nun andere Optionen, wie eben die sogenannten „Home-Workouts“ gefunden haben und in diesem Fall nicht mehr eine zu bezahlende Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio antreten wollen. Die einen steigen auf, die anderen werden fallen gelassen, sofern nicht ausreichend Unterstützung naht.

Die Corona-Pandemie zeigt auch auf, wer denn nun trotz Kurzarbeit und sozialer Isolation ein grundsätzlich schönes und gesegnetes Leben weiterführen darf und wer nicht. Hier kommt wiederum der Aspekt des Privilegs zu tragen. Wer seinen Job in einer Firma verloren hat, die aufgrund großer Schulden den Konkurs anmeldet und die MitarbeiterInnen* nicht mehr bezahlen kann, hat eben ganz andere Sorgen als jemand, der nun verärgert darüber ist, in Kurzarbeit umsteigen zu müssen und nun jeden Tag Zeit hat, Sport zu machen.

Lange Rede kurzer Sinn, in jeder Lebenssituation und in jeder sozialen Schicht kann man ein Problem als solches benennen. Ob es in der einen Lebenslage denn nun wirklich ein Problem ist und in der anderen etwa nicht, ist immer eine Frage der Perspektive. Doch haben wir überhaupt das Recht, über das Leben anderer eine Stellungnahme zu ergreifen? Oder sprechen wir hier schlichtweg von der Einstellung „des Privilegs über andere zu urteilen, weil wir uns in einer besseren, hart erarbeiteten Erfolgssituation befinden“?

Im Grunde genommen gilt es hart zu arbeiten, um an gewisse Privilegien wie die finanzielle Sicherheit, die Selbstverständlichkeit des Urlaubs sowie an das Auto mit Sitzheizung zu gelangen. Doch um es beim Namen zu nennen: Diejenigen Menschen, die mit natürlichen Eigenschaften wie einem Migrationshintergrund, einer anderen Hautfarbe, einem nicht akzentfreien Deutsch ausgestattet sind, müssen noch viel härter arbeiten, als diejenigen, die sich als „waschechte“ österreichische StaatsbürgerInnen* bezeichnen können. Dieser Standpunkt wird vor allem von der Autorin Melisa Erkurt in dem bereits genannten Kapitel „Privilegien erkennen“ vertreten. Warum? Weil wir schlicht und einfach in einer sozialen Wertehierarchie leben, in denen die Menschen bezüglich bestimmter auffallender Merkmale, durch die sie sich vom Rest der Standard-ÖsterreicherInnen* abzeichnen, bewertet, unbewusst in eine gewisse Schublade eingeordnet werden, metaphorisch zu verstehen, und je nachdem auch gewissermaßen behandelt werden. Und hier ergibt sich das soziale Problem, das man ebenfalls als Diskriminierung bezeichnen könnte. Menschen, die während der Pandemie immer einen finanziellen Polster haben, lehnen sich zurück und jammern über die zusätzliche Zeit, die sie jetzt zur Verfügung haben, während andere Jobinterview für Jobinterview besuchen, sich stark bemühen und trotzdem wenig Erfolgserlebnis haben, weil sie eben und eventuell BürgerInnen* mit Migrationshintergrund sind.

Dies soll nun keinesfalls als eine Botschaft eines Moralapostels gelten, der alle Wohlhabenden dazu auffordert, ihre Privilegien abzugeben und darauf zu verzichten. Dieser Beitrag soll einfach etwas wachrütteln. Welche Privilegien darf ich genießen? Wofür darf ich jeden Tag dankbar sein? Wie könnte ich anderen gegenüber meine Dankbarkeit vermitteln? Ist es mein Recht, über das Leben anderer zu urteilen, wenn ich ihre Geschichte und ihr persönliches „Päckchen“ nicht kenne?

Versuchen Sie doch, falls Sie es nicht schon längst tun, in ihrem Alltag etwas mehr Empathie, Verständnis, Selbstreflexion anzuwenden. Selbstreflexion im Sinne vom Erkennen eigener Privilegien, dem bewussten Umgang damit und eventuell den Menschen zu helfen, die ein Stück Unterstützung nötig hätten, weil diese nicht mit den natürlichen Privilegien ausgestattet sind. Auch wenn dies nur so weit möglich ist, dass man die 80-Jähirge Nachbarin versteht, wenn sie einem über das Gartentor alle möglichen Geschichten erzählt, weil sie sonst keinen oder keine mehr hat, dem oder der sie dies erzählen kann. Denken wir bitte nicht immer nur an uns selbst, sondern auch an andere!

 

Faust, oida!
— oder Eine Abrechnung mit der AHS-Huldigung
Verfasserin: Eva-Maria Schitter

Sagt eine Professorin zum Studierenden: „Sie kommen von einer HBLA? Davor Hauptschule? Ich frage mich immer, wie sich solche Leute hierher [Universität; FB Lehramt Germanistik] verlaufen können.“ 

Was klingt, wie ein schlechter Witz, ist aus dem Alltag eines jungen Studierenden einer österreichischen Universität gegriffen, dem durch seinen offenbar als minderwertig eingestuften Bildungsweg nicht hinreichende Kompetenzen für die Universität bzw. insbesondere den Fachbereich vorgeworfen werden. Die Aussage der Professorin öffnet in mehrerlei Hinsicht den Diskussionsrahmen zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Problematiken, die im Hochschulkontext und auch darüber hinaus dringend Behandlung bedürfen. Abgesehen von der bloßstellenden Diffamierung eines HBLA-Abgängers thematisiert die Aussage der Professorin einerseits die ebenso auf die allgemeine gesellschaftliche Haltung übertragbare Problematik der hierarchischen Wertigkeit unterschiedlicher Schultypen und andererseits die offensichtlich unzulänglich eingestufte schulische Vorbildung des Studierenden im Bereich der Germanistik. Diese Anknüpfungspunkte sollen auf wissenstheoretischer und gesellschaftspolitischer Ebene im Folgenden besprochen werden.

Freilich ist das erwähnte Zitat nur ein Blitzlicht. Aber es ist leider trauriger Alltag, dass uns nicht zuletzt und besonders eindringlich in der akademischen Lehrer*innenausbildung suggeriert wird, dass das Nonplusultra im Hinblick auf einen erfolgreichen Bildungsweg sowohl als Lernende als auch als werdende Lehrende die AHS ist. Ebenso ist es erschreckenderweise unausgesprochene Tatsache, dass Bildungswege, die über die MS (vorm. Hauptschulen) laufen, im gesellschaftlichen Kontext grundsätzlich Geringschätzung gegenüber den allgemeinbildenden Schulen erfahren. Dieser Missstand muss eilends annulliert werden. Um jemals Chancengleichheit als geltenden Grundpfeiler im Kontext Bildung überhaupt erst denkbar zu machen, ist es unumgänglich der seit der Aufspaltung in die verschiedenen schulischen Systeme indoktrinierten Bevölkerung diesen Glauben auszutreiben. Dazu ist es nötig, dass eine Überzeugung breitenwirksam etabliert wird hin zur Anerkennung der unterschiedlichen Qualitäten der Schultypen und zur Würdigung der Verschiedenheiten, die jede einzelne jeweils ausmachen — und zwar in einer Weise, die uns diese nicht in ein wertendes Hierarchiegefälle einzuordnen sondern nebeneinander in ihren individuellen Qualitäten stehen lassen. Das Faktum, dass bis dahin der Weg noch steinig und schwer ist, darf nicht zur Resignation führen sondern sollte allem voran in der Lehrer*innenausbildung viel eher als Kampfansage gegen ein System gesehen werden, das von unfairen und veralteten Machtmechanismen bestimmt wird.

Der Aussage der Professorin ist die implizite Botschaft inhärent, dass in der Mittelschule bzw. in fachlich nicht geisteswissenschaftlich ausgerichteten und auf breites Allgemeinbildung bauenden Schulformen Inhalte zu Kultur- und Literaturwissen keine Rolle spielen, da man scheinbar die Auffassungsgabe der Edukanten als dafür unzureichend einstuft. Ja, Mittelschulen werden zwar vornehmlich von Schüler*innen besucht, die nach der Pflichtschulzeit eine Lehre machen und nicht das anstreben, was man „intellektuelle Gesinnung“ schimpfen könnte. Und ja, Kinder mit Migrationshintergrund haben zwar vermehrt Probleme mit der Deutschen Sprache und besuchen vornehmlich eine Mittelschule als eine AHS. Aber das heißt noch lange nicht, dass ihnen nicht auf speziell auf sie abgestimmte Wege literarische und kulturelle Bildung vorenthalten werden muss, in der Annahme, sie verstünden die Inhalte ohnehin nicht. Dass Lernende, die nicht muttersprachlich mit der deutschen Sprache vertraut sind, Schwierigkeiten haben, den originalen Faust zu lesen, muss nicht ausführlicher diskutiert werden. Zugegebenermaßen: Sogar als Germanistik-Studierende stößt man dabei stellenweise an seine Grenzen. Hier ist die Kreativität und das pädagogische Fachkompetenz der Lehrenden gefragt. Unsere Aufgabe ist es, Wege zu finden, die enthaltenen Inhalte alters- und niveaugerecht mit unseren Schüler*innen aufzuarbeiten, sodass sie die Kernaussagen und die Werte, die darin vermittelt werden, begreifen. Im Faust geht es ums Leben! Goethe behandelt darin eine Problematik, die uns seit Menschengedenken beschäftigt und die auch Inhalt dieses Artikels ist: Eliten benutzen die weniger Bemittelten zu ihren Gunsten. Bezugnehmend auf das eingangs erwähnte Fach Germanistik soll erwähnt sein, dass wir speziell in Bezug auf literarische Bildung absehen müssen vom erpicht Sein auf Deklinationen und richtige Konjugationen. Holen wir die zentralen Werke, auf die unsere Kultur baut, in das reale Leben und stellen wir unser pädagogisches Können unter Beweis indem wir Vermittlungsstrategien entwickeln, die auf die Berücksichtigung der Alters- und Entwicklungsbesonderheiten der unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmt sind! Schaffen wir Zugänge, die die Stücke erfahrbar und begreiflich machen und geben wir Werte weiter, die dazu befähigen, sich später im Leben zurecht zu finden und sich eine eigene, reflektierte Haltung zu den Dingen, die die Welt bewegen, zurechtzulegen. Dass dafür nicht ausschlaggebend ist, welchen Schultyp man besucht hat, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wir formen die Gesellschaft der Zukunft — dieser Heeresaufgabe sollten wir uns bewusst sein und mit einer dementsprechenden Werthaltung und Motivation, den Bildungsauftrag ernst zu nehmen, sollten wir unserer Berufung und unserem Beruf begegnen. 

 

Richard David Precht und Christian Rieck zum Thema Noten
Verfasserin: Anna Untersberger

Das Schulsystem, in dem sich Schüler*innen zurzeit befinden, lädt Philosoph*innen, Wissenschaftler*innen und eigentlich jeden Menschen direkt dazu ein, es auf den Kopf zu stellen, zu kritisiert, hinterfragt und neu zu denken. Besonders wenn es um Noten geht wird kontrovers diskutiert. Die einen sprechen sich dafür aus, die anderen dagegen. Heute soll es vor allem darum gehen, die Meinungen von meines Erachtens nach sehr interessanten Persönlichkeiten, Christian Rieck und Richard David Precht auf den Grund zu gehen, sie darzustellen und dem Ganzen eigene Gedanken hinzuzufügen.

Wenn es um Noten geht treffen extrem viele Meinungen aufeinander. Deshalb ist mir wichtig hervorzuheben, dass die beiden Auffassungen, die ich heute thematisieren werde, bloß ein winziger Bruchteil des riesigen Potpourris an Meinungen zum Thema Noten sind. Mit Hinblick auf diese riesige Meinungsdiversität würde ich noch gerne einen Denkanstoß liefern: Besonders in der modernen Welt, in der wir leben, gibt es nicht die eine absolut richtige oder absolut falsche Position, vielmehr herrscht eine pluralistische, individualitätsfähige „Wirklichkeit“. Deshalb denke ich, dass es enorm wichtig ist nicht in richtig und falsch zu denken, sondern mehrere Meinungen zuzulassen und sich dessen bewusst zu sein, dass es verschiedene, nebeneinander existierende „Wahrheiten“ gibt, man aber natürlich trotzdem seine eigene Meinungen und Tendenzen vertritt.  

Prof. Dr. Christian Rieck ist in erster Linie Wirtschaftswissenschaftler und Autor, beschäftigt und äußert sich aber auch zu vielen anderen interessanten Themen wie der Sozialwissenschaft. Was das System der Notenvergebung angeht vertritt er eine absonderliche Meinung, er sagt: „Noten sollen nicht objektiv, sondern subjektiv vergeben werden“. Das können wir jetzt erst mal verdauen und sacken lassen. Ich für meinen Fall war jedenfalls äußerst verwirrt als ich das gehört habe. Im Lehramtstudium wird uns doch immer wieder eingeschärft, dass Objektivität die oberste Prämisse bei Notenvergebung ist? Aber ist absolute Objektivität überhaupt möglich? Außerdem hält Rieck nichts davon die Noten abzuschaffen, er betont die Notwendigkeit der „Endkontrolle“, ohne die die Schüler*innen sich erst gar nicht oder nur wenig bemühen würden. Aber wie kommt Rieck eigentlich auf die Idee, Noten müssten subjektive Bewertungen sein? Für ihn steht fest, die Noten, die in den Zeugnissen der Schüler*innen stehen, sagen sowieso fast nichts darüber aus, wie gut sie das Fach beherrschen, sondern sagen vielmehr darüber etwas aus, ob sie bestimmte Qualitäten unter Beweis gestellt haben, die mit dem Fachwissen korrelieren. Er erklärt, dass es in einer Welt, die nun mal von vorne bis hinten von subjektiven Wahrnehmungen geprägt ist, keinen Sinn macht Schüler*innen alle gleich und objektiv zu bewerten. Ganz nach dem Motto: Schule bedeutet Diversität, warum sollte man also völlig unterschiedliche Menschen gleichsetzten und nach einem staatlich vorgegebenen Mechanismus beurteilen, der Heterogenität nicht berücksichtigt? Das würde nur funktionieren, hätten alle die gleichen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen usw.., so Rieck. Er erklärt außerdem, dass es für ihn wichtig sei die Qualität der sozialen Interaktion, die Schüler*innen an den Tag legen, sowie individuelle Lernfortschritte mit in die Note zu beziehen. Auch Bemühungen, die dann am Ende vielleicht doch keine Früchte tragen, sollten berücksichtigt werden. Wie subjektive Notenvergebung im Detail dann wirklich aussehen würde konnte ich in meiner Recherche leider nicht ausfindig machen.

Mir tun sich nun einige Fragen auf, die euch wahrscheinlich ebenfalls beschäftigen: Inwieweit haben Lehrer*innen überhaupt Einblick in das Leben der Schüler*innen? Setzt der Gedanke an subjektive Benotung nicht unrealistischerweise voraus, dass man über den/die einzelnen/einzelne Schüler*in alles weiß und einem alles auffällt und man auch alles „richtig“ einschätzt? Müsste die Lehrperson nicht allwissend sein, was es natürlich in keinem Fall gibt? Wenn man soziale Interaktion ebenfalls mitbeurteilt, fängt man dabei nicht an in Wirklichkeit deren Persönlichkeiten zu beurteilen? Was wäre mit introvertierten Schüler*innen, die gar keine oder wenig soziale Interaktion an den Tag legen? Was wäre mit den Schüler*innen, die der Lehrperson vielleicht gar keinen Einblick in deren soziale Umgebung, oder in deren Lernvoraussetzungen geben wollen? Hätten Schüler*innen, die die Lehrperson sympathisch findet Vorteile?

Anfangs war ich der Idee durchaus zugeneigt, denn im Grunde ist der Gedanke an eine Benotung, die Diversität und Heterogenität berücksichtigt recht schön. Doch wie so oft könnte, meiner Meinung nach, auch diese prinzipiell schöne Überlegung an der tatsächlichen Umsetzung scheitern und in Chaos ausarten. Allerdings beinhaltet seine Idee auch, für mich greifbare und realistische Elemente, wie das Konzept von „Lernen sichtbar machen“ und Lerngeschichten berücksichtigen. Rieck greift jedenfalls eine Problematik auf, die zum Denken anregt und einem in seiner eigenen Meinung weiterbringt.

Als Kontrast dazu plädiert der Philosoph und ebenfalls Autor Richard David Precht für eine völlige Abschaffung der Noten. Allerdings hält er das nur für sinnvoll, wenn man mit dem Abschaffen der Noten auch gleichzeitig das ganze Schulsystem revolutioniert. Wie für Prof. Dr. Christian Rieck steht auch für ihn fest, dass die Abschaffung vom Notensystem in dem jetzigen Schulsystem absolut keinen Sinn machen würde. Deshalb brauche es unbedingt ein fundamental umstrukturiertes Schulmodell, welches Schüler*innen einen solch interessanten Input liefert und intrinsisch motivierende Bedingungen schafft, dass sie den extrinsischen Antrieb von Prüfungen gar nicht mehr brauchen.

Wie aber stellt sich Precht ein optimales Schulsystem vor? Diese Frage werde ich leider nur grob beantworten, denn seine Gedanken dazu sind weitaus komplexer und betreffen viel mehr Aspekte und Zusammenhänge als ich jetzt hier erklären kann. Grundsätzlich fordert Precht ein Schulsystem, das nicht mehr in Fächer gegliedert ist, sondern als Basis aus interaktiven, komplexen und vor allem fächerübergreifenden Projekte zu verschiedensten Themen besteht. Schließlich besteht ja auch das echte Leben nicht aus Fächer, sondern aus Wechselwirkungen und Zusammenhänge der „Fächer“, so Precht. Außerdem sollen Schüler*innen zwischen den Projekten frei wählen können. So wird intrinsische Motivation bestärkt und der Individualität jedes/jeder einzelnen Schülers/Schülerin Raum gegeben. Richard David Precht geht davon aus, dass jedes Kind von Grund auf wissbegierig und neugierig ist und lernen will, dass unser bestehendes Schulsystem diese Motivation eines/einer Heranwachsenden aber erstickt. Kurz zusammengefasst: Wenn man diese natürliche Neugierde eines Menschen nicht durch ein „falsches System“ erstickt, braucht es keine Noten. Zu seinen Vorstellungen gehören natürlich noch viel ausdifferenziertere und genauere Beschreibungen, etwa zum Matheunterricht, zur Ganztagsschule, zu Unterrichtseinheiten, Lehrkräfte und vielem mehr. Wer sich dafür interessiert: Precht hat sogar ein eigenes Buch mit dem Titel „Anna, die Schule und der liebe Gott“ verfasst.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass Rieck und Precht wohl gleichermaßen Heterogenität, Diversität und Individualismus in Schulen berücksichtigen wollen, dies aber auf extrem unterschiedlichen Wegen. Während Precht das ganze Schulsystem umkrempeln will versucht Rieck lediglich einen kleinen Teil in dem bereits festgefahrenen System zu verändern. Als ich das Wort festgefahren verwende kann man nun wahrscheinlich leicht auf meine eigene Meinung schließen. Auch ich denke, dass wir Schule grundsätzlich neu denken müssen um sie nachhaltig zu verbessern anstatt immer nur kleine Nuancen zu verändern und das Fundament bestehen zu lassen.

Wie sieht euer „perfektes“ Schulsystem aus?

 

Krieg der Stern*innen
Verfasserin: Feldkircher Lena

„Das Gendern ist kein natürlicher Sprachwandel, es ist ein ideologisch gefärbter Versuch, Menschen zu einer Sprache zu zwingen, die sie im Alltag nicht sprechen.“, so beschreibt Prof. Dr. Walter Krämer, Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, die Problematik des Genderns. „Sprachlich Umweltverschmutzung“ fällt als Begriff in Bezug auf die Thematik. Was im ersten Moment sehr hart, überspitzt und vor allem überholt klingt, ist jedoch noch immer die Meinung vieler Personen, Männer sind hierbei in der Überzahl. 

In einem Interview beschreibt „ZDF heute“ Moderatorin Petra Gerster ihre Erlebnisse, nachdem sie angefangen hat in der Sendung bewusst zu gendern. Sie erzählt, dass sie nach ihrer ersten Sendung über 60 Beschwerdeschreiben bekommen hat, die meisten von älteren Männern. Hier stellt sich für mich immer wieder die Frage, wieso sich gerade die nicht Betroffenen am meisten angegriffen fühlen. Aber am meisten beschäftigt mich die Frage, wieso nicht schon längst Akzeptanz gegenüber dem Thema herrscht. Gendern ist da, und es hat nicht vor, zu gehen. Es ist 2021, Texte mit ausschließlich dem generischen Maskulinum sind quasi non existent, an vereinzelten Universitäten werden Arbeiten ohne korrektem Gendern schlechter benotet und wie oben beschrieben, sogar in gesprochenen Formaten wie Nachrichtensendungen im Fernsehen wird gegendert. 

Armin Wolf, Journalist und Moderator der „Zeit im Bild“ setzte sich auch vor Kurzem in seinem Blog mit dem Gendern auseinander. Dort beschreibt er, dass es oft schwierig sei, in Wort zu gendern, was ihn aber nicht von seiner Mission abbringt, es so gut wie möglich zu versuchen. 

Die absolute Allroundlösung gibt es leider noch nicht. Im Schriftlichen ist es zwar leichter zu gendern, jedoch gibt es noch keinen einheitlichen Kanon. Man hat die Wahl zwischen Sternchen, dem Binnen-I, Doppelpunkt, Mittelpunkt, die Liste ist lang. Im Gesprochenen versuchen sich immer wieder Einzelne an neuen Ideen, so zum Beispiel der der Sprachforscher Thomas Kronschläger. Er forscht seit Jahren zu einer ganz besonderen Form der genderneutralen Sprache, genannt „Entgendern nach Phettberg“. Namensgeber hierbei ist der Journalist Hermes Phettberg, der regelmäßig Kolumnen für den „Falter“ verfasst. Dort nennt er seine Audienz nicht „Leser*innen“, sondern „Lesys“, also statt einer männlichen und weiblichen Form wird eine neutrale Form genutzt, indem ein y am Wortstamm drangehängt wird. Auch hierbei hagelt es Kritik, einige meiner Meinung nach berechtigt, da das Entgendern zu niedlich klingt. Aber laut Kronschläger ist das einfach nur Gewöhnungssache.

Man bleibt also gespannt, wie sich die Sprache weiterhin entwickeln wird. Ich für meinen Teil begrüße stets Veränderung und bin gerne Teil interessanter, neuen Entwicklungen. Egal ob nun neben „Gästin“ auch „Gasty“ im Duden zu finden ist oder ob sich noch etwas komplett Neues etabliert. 

 

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