Archiv für September 2009
Das dritte Alter
Irgendwann zwischen vierzig und fünfzig tritt man in ein Grenzland ein, wo ein Hauch von Wehmut herrscht. Man ist schon lange nicht mehr jung, aber auch nicht richtig alt, man weiß, wo man gewesen ist, aber nicht, in welche Richtung es weitergehen wird. Alte Wahrheiten scheinen überholt. Man muss vieles neu bedenken, durch neues ersetzen und bislang unbekannte Gefühle durchleben. Denn nun muss man das zu Stande bringen, was man immer „später“ tun wollte. Jetzt ist dieses „später“ da. Jetzt hat man die Chance, entweder seine Träume zu verwirklichen oder sie endgültig fahren zu lassen. Sonst wird es zu spät. Das Leben ist eine Direktübertragung. Man kann nicht auf „rewind“ drücken und zurückspulen, wenn etwas Wichtiges fehlt. Die Uhr bleibt nicht stehen – hohe Erwartungen müssen heruntergeschraubt und manche Hoffnung aufgegeben werden. Mitten im sprudelnden Leben, wenn die Sonne noch hoch steht, erahnt man schon mit einem leichten Schauder die nahende kühle Abendbrise.
Alles fließt, sagt Heraklit: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.
Seinem Alter zu begegnen bedeutet, dass man den Mut hat, das Fremde zuzulassen. Man befindet sich an einer Schwelle, die beides markiert: Ende und Neuanfang. Das Älterwerden hat beide Möglichkeiten in sich: Wachstum und Stillstand. Dabei ist es wichtig, unsere verlorene Jugend zu betrauern aber dann ins Neue weiterzugehen und unser Expertentum zu genießen.
Probleme entstehen erst dann, wenn wir versuchen, den Nachmittag des Lebens nach dem Muster des Vormittags zu leben. Die Reife kommt nicht von allein und manchmal tut sie weh. Andererseits sind wir vielleicht erst in reiferen Jahren wirklich dazu fähig, ganz und gar diejenigen zu sein, die wir ursprünglich sein sollten/wollten.
C.G. Jung, der berühmte Psychoanalytiker, meinte, dass die zweite Lebenshälfte voller Entwicklungsmöglichkeiten stecke. Die wichtigsten Lebensaufgaben sind ihm zufolge:
- Der Wirklichkeit des Alters und des Todes ins Auge zu schauen und im Idealfall zu erkennen, dass sich Leben und Tod bedingen.
- Sein Leben zusammenzufassen und darüber zu reflektieren.
- Seine Schlüsse daraus zu ziehen und sich zu entscheiden, wie man den Rest seines Lebens verbringen möchte.
- Das Vergangene zuzulassen.
- Seine eigene authentische Art zu finden.
- Den Sinn in seinem Leben zu finden.
- Seine kreativen Fähigkeiten zu entdecken und zu bejahen.
Es gibt vieles, das wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können, und wenn wir Glück haben, erkennen wir im dritten Alter unseren wahren Wert und lernen Demut angesichts des Großartigen im Leben.
Wenn wir wollen, können wir uns zeit unseres Lebens weiterentwickeln. Dabei geht es nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, ganz zu sein.
Autor: Mag.a Maria B. Eisner, Jobvitalitaet, (c) 2007 (nach einem Text aus: Das Leben ist ein langer Fluss, Tudor-Sandahl, P. 2007)
Zukunftsthema Productive Aging
Zitat
Verfügbar unter: http://www.leaders-circle.at/productive-aging.html [Datum des Zugriffs: 24.09.09]
Wie sorglos und unbedacht viele Firmen mit den Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer derzeit noch umgehen, wird spätestens dann deutlich, wenn man die Maßnahmen und Resultate derjenigen Unternehmen betrachtet, die sich diesem Thema bereits aktiv gestellt haben.
Ein Blick auf die Zahlen macht klar, worum es geht: Im Jahr 2003 war [erg.d.d.Bolgautor] in Österreich der Anteil der Über-45-Jährigen im Arbeitsleben erstmals größer sein als der Anteil der Unter-30-Jährigen. Und dieser Anteil älterer Erwerbspersonen wird ab diesem Zeitpunkt jährlich zunehmen. Diese Entwicklung trifft auf eine Personalplanung der Betriebe, die nach wie vor stark jugendzentriert ist und sie trifft auf einige Annahmen in Bezug auf ältere Erwerbstätige, die zwar im Management weit verbreitet, aber dennoch nicht richtig sind:
Was vermindert sich im Alter?
Die erste falsche Annahme heißt: Alter bedeutet Abbau. Daraus folgt der Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind weniger produktiv. Das aber, meint Dr. Rudolf Karazman vom Institut für betriebliche Gesundheitsförderung (IBG) sei nur die eine Hälfte der Wahrheit. „Richtig ist, dass das körperliche Leistungsvermögen mit dem Alter tendenziell abnimmt. Wenn dann ältere Mitarbeiter auf jugendliche Arbeitsorganisationen treffen – d.h. die körperlichen Anforderungen an den Einzelnen auch bei zunehmendem Alter gleichbleiben – dann wird diese Nicht-Anpassung auf Seite der Organisation ab einer gewissen Schwelle zu Überforderungsreaktionen auf körperlicher Ebene führen und Krankheiten begünstigen. Nur – im psychischen Bereich gibt es mit dem Alter keinen Abbau und im geistig sozialen Bereich sogar eine deutliche Zunahme. Das ist der entscheidende Punkt, der nur allzu oft nicht gesehen wird.“
Krankheitsursache: Unterforderung
Die zweite Annahme heißt: Arbeit macht krank. Und der damit verbundene Fehlschluss: Ältere Mitarbeiter sind daher öfter krank. Dr. Karazman: „Das denken sowohl viele Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, als auch Gewerkschafter und Arbeitsmediziner. Allerdings stimmt das in dieser Form nicht. Die Krankheitsraten steigen nämlich weit weniger aus dem Grund von körperlicher Überforderung als vielmehr aufgrund geistiger Unterforderung. Ältere Arbeitnehmer werden vor allem deswegen krank, weil nichts mehr auf sie wartet. Weil sie sich links liegen gelassen fühlen, weil man sie als „zum alten Eisen gehörig“ abwertet, weil ihnen die Bereicherung, die Stimulierung, die Herausforderung, das Wachstum und Lernen fehlen.
Das Entscheidende ist zu verstehen, dass Arbeit selbst geundheitserzeugend sein kann, aber eben nur dann, wenn sie auch sinnstiftend ist. Um es krass zu formulieren: Die häufigste Ursache für Demotivierung, innere Pensionierung und Krankenstände sind fehlende Erwartungen auf Seiten des Managements. Und nicht das Alter per se.“ Ein Indiz unter vielen, welches für viele Unternehmen typisch sein dürfte: In einer österreichischen Bank waren im Untersuchungszeitraum zwar über die Hälfte der Mitarbeiter über 40 Jahre, auf diese Gruppe entfielen aber nur 10% der Weiterbildungsausgaben (ohne die Ausgaben für Führungskräfte).
Nicht weniger produktiv, sondern anders!
Diese Grundhaltung „Ältere sind weniger produktiv“ erleben viele ältere Mitarbeiter im Arbeitsprozess dann in Form eines Verlusts an sozialer Einbeziehung in Aufgaben, Strukturen, Teams, letztlich als Verlust der sozialen Integration. Dieses sukzessive „Hinausbröseln“, sei es durch körperliche Überforderung oder durch geistige Unterforderung – ich gehöre nicht mehr dazu, bekomme keine Aufgaben mehr, werde nirgends mehr hingeschickt – führt, so Dr. Karazman, letztlich zur „teuersten Art der Arbeitszeitverkürzung überhaupt, nämlich zu Krankenständen und Frühpensionierung.“
Es geht aber auch anders. Gefragt ist eine Veränderung der Arbeitswelt in die Richtung, „dass wir mit der Schwere zurückgehen und mit der Schwierigkeit hinauf, bei Forcierung der sozialen Einbeziehung.“ Beispiele dafür gibt es bereits.
Beispiel: Stadtwerke München
Weniger als 5% der Fahrer im öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland erreichen die gesetzlich vorgesehene Altersgrenze von 63 Jahren. Das heißt, ca. 95% scheiden aus gesundheitlichen Gründen vorher aus dem Fahrdienst aus, was aber nicht heißt, dass diese Personen gleich in Pension gehen können, sondern es bedeutet ihre Versetzung in den Innendienst und damit auf niedriger bewertete Stellen. Das wiederum wirft nicht nur für die Fahrer erhebliche soziale und wirtschaftliche Probleme auf, sondern auch für das Unternehmen.
1993 beschlossen die Stadtwerke München, sich dieses Problems anzunehmen. Zusammen mit dem „Gesundheitspark der Volkshochschule München“ entwickelte man ein einjähriges Programm zur Verbesserung der körperlichen und seelischen Gesundheit der Fahrer, das vom IBG wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde. Von 250 Fahrern, die an der Maßnahme teilnehmen wollten, wurden für das erste Programm 96 Personen ausgewählt und während eines Jahres für insgesamt 20 Tage dienstfreigestellt. Bevorzugt wurden die ältesten Fahrer mit den meisten Dienstjahren. In diesen 20 Tagen absolvierten sie ein Programm, bestehend aus fünf Bausteinen mit Bewegungs- und Entspannungsübungen, Stressbewältigungstraining, Gruppengesprächen und Ernährungsberatung. Dominierte am Anfang noch große Skepsis, so waren die Ergebnisse am Ende des Programms um so eindeutiger:
- Das personalwirtschaftliche Ergebnis war ein Rückgang der Fahruntauglichkeit um 80% in dieser Präventivgruppe
- Die Fahrer dieses Gruppe bleiben 2,5 Jahre länger im Arbeitsleben als ihre Kollegen
- Der Rückgang in den Krankenständen betrug jährlich und nachhaltig 4-5 Tage/Fahrer.
- Die Unfallrate in der Präventivgruppe wurde massiv reduziert.
- Der Anteil von Fahrer mit normalem Blutdruck stieg von 65% auf 77%.
- Auf die Frage „Wenn Sie wählen könnten, hätten Sie lieber 20 arbeitsfreie Tage oder 20 Tage mit Gesundheitsförderungsprogramm?“ antworteten nach 10 Gruppentagen knapp 80% der Fahrer: freie Tage mit Programm.
- Mehr als die Hälfte der Teilnehmer berichteten von positiven Veränderungen auch im Privatleben
- Insgesamt kam es bei den Teilnehmern zu einer Zunahme an Sinn-Erleben, Lebensqualität und Gesundheit.
Beispiel: KAV Wien
Im Krankenanstaltenverbund der Stadt Wien begannen Anfang 2000 die Vorbereitungen zu dem Projekt „meisterhafte Pflegekunst“. Der Hintergrund: So wie viele andere Berufe auhc ist der Pflegeberuf ein sogenannter „gleichbleibender Beruf“, d.h. die Arbeit bleibt über das ganze Berufsleben unverändert und spiegelt den Prozess des Älterwerdens – mehr Routine und Erfahrung einerseits, höhere körperliche Belastung andererseits – nicht wieder. Die Konsequenz daraus war: Nur 9% des Pflegepersonals ist nach 26 Dienstjahren noch im Unternehmen. Bei einem Durchschnittsalter von 20 Jahren beim Arbeitseintritt haben also mit Mitte Vierzig bereits 90% des Pflegepersonals die Organisation verlassen. Noch dazu wechseln 85% der Krankenschwestern mit spätestens 35 Jahren aus dem patientennahen Pflegedienst in Leitungsfunktionen oder die Lehre. Alles in allem kommt es zu einem enormen Abfluss an Erfahrung in der direkten Patientenbetreuung.
Um hier gegenzusteuern ist nun geplant, eine Art Fachkarriere mit den drei Stufen Novizin, Expertin, Meisterin zu etablieren sowie neue, flexiblere Regelungen in Bezug auf Nachtdienste und Verkürzung der Wochenarbeitszeit einzuführen.
Welch eine Verschwendung
Mit dem Älterwerden wächst der Wunsch nach Einbeziehung, Information, Einsicht und herausfordernden Aufgaben. Die älteren Mitarbeiter haben unheimlich viel Know-how und sie wollen, dass das abgeholt wird. Wird das nicht abgeholt „implodieren“ die Leute. Das erscheint dann als Demotivation und schlägt sich in Krankheiten nieder. Entgegen der landläufigen Meinung ist aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht die Gesundheit die Grundlage von Produktivität, sondern die Produktivität (im Sinne von „etwas aus mir herausführen, bewältigen“) ist sowohl die Grundlage von Gesundheit als auch von Leistung. D.h. Krankheit entsteht erst da, wo Produktivität chronisch behindert wird, etwa durch eine autoritäre Kultur, Lärm, schlechte Luft, überfordernde Arbeitsbedingungen, vergiftetes Klima im Unternehmen, mangelhafte Stimulierung oder Ausbildung. Insofern sollte es nicht mehr sonderlich verwundern, dass speziell die „Luxusprojekte“ zum productive aging einen bereits in mehreren Studien nachgewiesenen 5 – 20fachen Return on Investment bringen!
Autor: Peter Wagner, 11.2000
Kein Stress vor dem Altern
Zitat: Salbzurger Nachrichten (2009), Gesünder Leben (Beilage vom 9. September)
Wer glaubt, gegen das Altern ankämpfen zu müssen, bekommt Stress. Kreativ zu altern, heißt hingegen, nach den eigenen Kraftressourcen zu suchen. Dazu muss man sich bewegen, von etwas bewegt sein und auch andere bewegen können. (Franziska Lipp)
Der deutsche Psychologe Kurt Wirsing hat AgingArt entwickelt:
Eine Methode, die Menschen in der zweiten Lebenshälfte dabei helfen soll, starke Visionen zu entwickeln und an Gestaltungskraft zu gewinnen.
SN: Was bedeutet AgingArt?
Wirsing: AgingArt meint die Kunst des Alterns und das damit verbundene psychologische Handwerkszeug, um die Herausforderungen dieses ganz normalen Lebensprozesses zu meistern. Altern ist keine behandlungsbedürfiige Krankheit, gegen die man zu Felde ziehen müsste. Es bringt aber krisenhafte Lebensphasen und Übergänge mit sich, die jeden Menschen in seinem Selbstbild erschüttern können.
Insofern ist Altern nicht ohne Risiko und Nebenwirkungen und man tut gut daran, für seine seelische Fitness zu sorgen.
SN: Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu Ihnen?
Wirsing: Sie kommen hauptsächlich mit privater und beruflicher Verunsicherung und sind auf der Suche nach Orientierung. Sie stellen Bilanzierungsund Sinnfragen nach den eigenen Träumen und Plänen, nach Erwartungen und Selbstbestimmung. Oft begleitet von Schlafstörungen, Herz- Kreislauf-Problemen mit Bluthochdruck, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Leistungsabfall im Job, Libido- und Potenzprobleme, depressiven Verstimmungen oder Burn-outSymptomen.
SN: Worin liegt die Schwierigkeit desAlterns?
Wirsing: Wer meint, Älterwerden sei etwas, wogegen man ankämpfen müsse, bekommt Stress.
Eine große Schwierigkeit des Älterwerdens liegt darin, dass wir mit jeder Entscheidung und jeder Wahl im Lebensfluss mögliche Alternativen aussortieren müssen. Gerade im Beruf wird das bisher Erreichte und Nichterreichte, das Ende beruflicher Karrierechancen, besonders deutlich.
SN: Wie meistert man diese Situation am besten?
Wirsing: Es ist nie zu spät, seinen eigenen Lebensentwurf zu wagen. Kreativ altern heißt, nach den eigenen Kraftressourcen zu suchen. Dazu muss man sich bewegen, von etwas bewegt sein und auch andere bewegen können. Sich herausbewegen aus der Komfortzone der eingeschliffenen Lebensmuster, neugierig sein und neue Erfahrungen wagen. Etwas tun, was man noch nie getan hat. Mächtige Verbündete von AgingArt sind die Lust, die Kreativität, die Neugier und der Humor. Und Stress vermindern, weil der die Kreativität hemmt und den Alterungsprozess beschleunigt.
„Was fehlt, ist eine neue Alterskultur“
SN: Leben wir in einer altersfeindlichen“ Gesellschaft und Kultur?
Wirsing: Was fehlt, ist eine neue Alterskultur, die den Menschen Orientierung bietet, wie die statistisch gewonnenen Lebensjahre zu füllen sind.
Lebensbejahend wäre ein vielfältiges Altersbild, das einer bunten Mischung von Lebensstilen alter Menschen gesellschaftliche Anerkennung ermöglicht. Nicht nur das vorherrschende Altersbild der als Marktzielgruppe umworbenen Best-Ager.
SN: Warum fällt es den Menschen so schwer, gelassen alt zu werden?
Wirsing: Gelassen alt zu werden, braucht die Fähigkeit zu Wehmut. Und Mut verlangt es, die Prozesse des eigenen AIterns anzuerkennen, darin einzuwilligen und seinen eigenen Weg zu gehen. Gestaltungskraft gewinnt der Mensch, der etwas sein lassen kann. Eine große Herausforderung .
SN: Was lernen Klienten mit AgingArt?
Wirsing: Sie erhalten einen stärkenden Blick auf die ganze Lebensspanne, finden ihre psychischen Kraftquellen und können kraftvolle Visionen für die Zukunft entwickeln. Sie erhalten aber auch Informationen, wie Stress, hormonelle Abläufe und Alterungsprozesse zusammenhängen und was sie an Gestaltungskraft selbst in der Hand haben.
Fitness für die Seele
Generationen-Mix statt Jugendwahn
Von FOCUS-Online-Autorin Sabine Schrader
2020 wird jeder dritte Erwerbstätige über 50 Jahre alt sein
Statt 41 Millionen wie im Jahr 2000 könnte es 2040 nur noch 26 Millionen Menschen betragen, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berechnet. Bereits 2020, so die Prognosen, wird jeder dritte Erwerbstätige 50 Jahre und älter sein.
Unternehmen kaum vorbereitet
Probleme könnten besonders solche Betriebe bekommen, in denen Arbeit weiter verdichtet wird und der Stress zunimmt. Aber auch für Unternehmen, deren Mitarbeiter plötzlich mit neuen technischen Entwicklungen konfrontiert werden, dürfte es schwierig werden, warnt der Experte. „Angesichts älter werdender Belegschaften ist es notwendig, für ausgewogene Belastungen am Arbeitsplatz zu sorgen.
Zudem müssen Unternehmen Mitarbeitern die Chance geben, ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln“, so Buck. Die Funktion der Führungskräfte sei enorm wichtig, erklärt Christiane Flüter-Hoffmann. Großunternehmen böten bereits Trainings an, um Vorgesetzte für das Thema „alternde Belegschaften“ zu sensibilisieren.
Um den Veränderungen gerecht zu werden, setzt das Bankhaus unter anderem auf „Age Diversity“. In Arbeitsteams, etwa zur Kundenbetreuung, sollen möglichst alle Generationen eingebunden werden: „Vom direkten Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen jungen und erfahrenen Kollegen profitieren beide Seiten: Mitarbeiter und Kunde“, so Dressler. Denn auch auf Kundenseite ginge der Anteil der Jungen zurück. „Und nicht jeder ältere Kunde möchte von einem Mittzwanziger beraten werden.“
Wechsel innerhalb des Betriebes
Auch auf eine längere Lebensarbeitszeit hat das Unternehmen bereits reagiert. Nimmt mit zunehmendem Alter das Leistungsvermögen ab, kann ein Arbeitnehmer entsprechend seiner Leitungskraft an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden. Dressler: „Statt Mitarbeiter nach Hause gehen zu lassen, die altersbedingt nicht mehr in ihrer bisherigen Position arbeiten können, geben wir ihnen innerhalb der Bank eine andere Aufgabe, in die sie möglichst viel des erworbenen Erfahrungswissens einbringen können.
„Besonders wichtig war uns, das Arbeitsumfeld zukunftsorientiert zu gestalten“, erklärt Sprecher Manuel Hiermeyer. Allein im Werk München investierten die Autobauer 25 Millionen Euro, um die Karosseriemontage körperlich weniger anstrengend zu machen.
„Die kontinuierliche Weiterbildung von Mitarbeitern ist ein wichtiger Bestandteil einer alternsgerechten Personalentwicklung“, sagt Jutta Rump. „Lernen darf im Alter nicht abreißen“, so die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Ludwigshafen. Unternehmen würden hierfür zwar sensibler, konkretes Handeln bleibe aber vielfach noch aus, kritisiert sie.
Ältere lernen anders
Dass Ältere weniger lernbereit und flexibel, weniger ehrgeizig und kreativ sind, ist ein gängiges Vorurteil: „Es ist seit langer Zeit Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dass Mitarbeiter mit 55 oder 58 Jahren aus dem Erwerbsprozess aussteigen“, sagt Hartmut Buck.
Diese Praxis habe auch das Bild vom älteren Mitarbeiter geformt. Sie würden als weniger leistungsfähig wahrgenommen. Ein Vorurteil, das der Realität kaum standhält: „Befragt man Arbeitgeber nach der Leistungsfähigkeit und Qualifikation Älterer, werden sie regelmäßig in Bezug auf ihr Wissen, ihre Erfahrung und Expertise als gut bewertet“, sagt der Fraunhofer IAO-Experte.
„Fluide“ und „kristallisierte“ Kompetenz
Aus der Psychologie weiß man inzwischen, dass Menschen über ein unterschiedliches Maß an „fluider“ und „kristallisierter“ Kompetenz verfügen. Erstere steht für eine schnelle Auffassungsgabe und Wahrnehmung, für eine gute Anpassungsfähigkeit und ein gutes Gedächtnis. „Wenn diese Fähigkeit nicht trainiert wird, verkümmert sie bereits ab dem 30. Lebensjahr“, stellt Jutta Rump fest.
Kristallisierte Kompetenz hingegen steht für Erfahrungswissen, Sprachgewandtheit und die Fähigkeit, schnell komplexe Zusammenhänge zu begreifen. Sie reift erst mit zunehmendem Lebensalter. Arbeiten ältere und jüngere Mitarbeiter zusammen, sind die unterschiedlichen Kompetenzen für beide Seiten ein Gewinn.
„Das gegenseitige Lernen in altersgemischten Teams ist ebenso effektiv wie effizient“, sagt Jutta Rump. Die berufliche Weiterbildung Älterer muss praxisnah erfolgen, ihr Erfahrungswissen sollte dabei integriert werden. „Ältere Mitarbeiter lernen nicht schlechter, sondern anders. Lernen und Arbeit müssen miteinander verzahnt werden“, so Professorin Rump.
Personalchefs stellen bevorzugt Jüngere ein
Ziel der Europäischen Union ist es, bis 2010 die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer auf 50 Prozent zu erhöhen. Inzwischen ist man auch in Deutschland auf einem guten Weg. Im vergangenen Jahr lag die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen hierzulande bei über 48 Prozent – im Vergleich zum Jahr 2000 ein Wachstum um mehr als zehn Prozent.
Bundesweit stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer über 50 zwischen Juni 2005 und Juni 2006 um 200.000. „Die Trendwende ist geschafft“, sagt Christiane Flüter-Hoffmann. „Doch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland noch längst nicht gut ab.“ Länder wie Finnland, Dänemark und die Niederlande erzielen noch bessere Ergebnisse.
Werben um die Alten
In einigen Jahren stellen junge Männer und Frauen weniger als 20 Prozent aller Arbeitskräfte. In dieser Situation rücken ältere Arbeitnehmer in den Fokus.
Bislang wird das Potenzial älterer Arbeitnehmer kaum genutzt
Das Problem der alternden Belegschaften ist eine Folge der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Die sinkende Zahl der Kinder führt dazu, dass in den kommenden Jahrzehnten die deutsche Wirtschaft nicht mehr damit rechnen kann, genügend junge Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, um frei werdende Stellen zu besetzen. In dieser Situation rücken ältere Arbeitnehmer zwangsläufig in den Fokus. Sie an ein Unternehmen zu binden und sie fit zu halten, wird für die Personalpolitik der Unternehmen zu einer wichtigen Aufgabe.
Ende 2007 hatte Deutschland rund 82,2 Millionen Einwohner. In den kommenden Jahrzehnten wird die Bevölkerungszahl deutlich zurückgehen. Verharrt die Zuwanderung nach Deutschland auf dem derzeitigen niedrigen Niveau, dürften nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts 2030 rund 77,2 Millionen Menschen in Deutschland leben. 2050 wären es nur noch 68,7 Millionen.
Alle Altersgruppen sind betroffen
Mit der schrumpfenden Bevölkerung sinkt auch die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter. Derzeit sind rund 50,1 Millionen Menschen bundesweit im Erwerbsalter, das die Statistiker im Augenblick noch auf das 20. bis 64. Lebensjahr begrenzen. Sollten nicht deutlich mehr Menschen nach Deutschland einwandern als derzeit, wird diese Personengruppe bis 2030 auf 42,4 Millionen und bis 2050 auf 35,5 Millionen Menschen schrumpfen.
Dieser Rückgang trifft alle Altersgruppen, mit besonderer Wucht aber die unteren und mittleren Jahrgänge. So wird die Zahl der Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 30 bis 2030 voraussichtlich um rund 2,5 Millionen auf nur noch 7,4 Millionen zurückgehen. Der Anteil dieser Jungen an der Gesamtzahl aller Erwerbsfähigen sinkt zeitgleich auf nur noch 17,7 Prozent.
Ältere Arbeitnehmer sinnvoll einsetzen
An diesem Reservoir von zumeist gut ausgebildeten und erfahrenen Arbeitskräften wird künftig kaum ein Unternehmen vorbeigehen können. Bereits heute seien einzelne Branchen und Regionen in Deutschland vom Fachkräftemangel betroffen, betonen die Autoren einer im Mai veröffentlichten Studie der Prognos AG: „Unternehmen werden künftig ihren Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräften nur noch decken können, wenn es ihnen weit mehr als heute gelingt, Beschäftigte über 55 Jahren produktiv einzusetzen.“
Bislang wird das Potenzial der älteren Menschen in Deutschland allerdings kaum genutzt. Die Prognos-Studie verweist darauf, dass von den Männern im Alter zwischen 50 und 54 Jahren rund 82 Prozent einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei den 60- bis 65-Jährigen sind es nur noch 37,6 Prozent, bei den Frauen dieser Altersgruppe sogar nur noch 21,8 Prozent. Arbeiten bis zur Rente sei in Deutschland derzeit eher die Ausnahme, stellten die Autoren der Studie fest.
Anderes Alter, gleiche Wellenlänge
Ein junger Chef, ein altgedienter Mitarbeiter – und schon ist der Generationenkonflikt am Brodeln? Keineswegs: Einer Studie zufolge ist der firmeninterne Generationen-Mix gut fürs Geschäft.
63 Prozent der deutschen Angestellten sind überzeugt davon, dass sich die Zusammenarbeit mit Kollegen verschiedenen Alters positiv auf die Produktivität eines Unternehmens auswirkt. Das belegt eine Studie von Kelly Services, einem Anbieter von Personallösungen. 2000 deutsche Arbeitnehmer haben daran teilgenommen. Allein Berufseinsteiger sind skeptisch, was die Fähigkeiten ihrer älteren Kollegen betrifft: Nur zwölf Prozent von ihnen sind der Meinung, dass ein Team aus Mitarbeitern verschiedenen Alters produktiv arbeitet.
„Generationenunterschiede zwischen Mitarbeitern können gelegentlich zu Spannungen führen, doch es liegt in der Hand der Arbeitgeber, diese anzusprechen“, sagt Ralf Heiden, General Manager bei Kelly Services Deutschland. „Statt die durch generationsbedingte Unterschiede entstehende Vielfalt zu dämpfen, sollten Unternehmen sie für sich nutzen, um neue Ideen und Geschäftsmodelle zu entwickeln.“
Kommunikation klappt
Wie die Studie ferner belegt, kommunizieren die unterschiedlichen Mitarbeitergenerationen bevorzugt über die gleichen Kanäle: Mitarbeiter bis 30 Jahre tippen ihre Nachrichten zwar häufiger als ihre älteren Kollegen in eine E-Mail oder verschicken Instant Messages, zu 85 Prozent suchen sie dennoch am liebsten das persönliche Gespräch. Bei den über 48-jährigen sind es 91 Prozent. Insgesamt zwei Drittel der Befragten gaben an, sich in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern anderer Altersgruppen deren Kommunikationsformen anzupassen.
Weitgehend einig sind sich junge und ältere Kollegen bei der Frage nach der liebsten Bonus-Form: 46 Prozent der Befragten bevorzugen es, für Sonderleistungen Geld zu bekommen; bei den 48- bis 65-Jährigen ist der Anteil derjenigen, der gerne mit Fortbildungen oder Freizeitausgleich belohnt wird, mit 37 Prozent am höchsten.