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Der Werdegang der österreichischen Schule – Vom Neuhumanismus bis hin zum Anschluss an das Deutsche Reich

Haben Sie sich jemals gefragt, ob unser Schulsystem seit Beginn der Schule gleich ist oder ob es gravierende Änderungen gab? Stellten Sie sich schon einmal die Frage, ob markante geschichtliche Ereignisse das Schulsystem beeinflussten?
Ich werde Ihnen im Folgenden die Entwicklung des Schulsystems von Österreich vom Neuhumanismus bis hin zum Anschluss an das Deutsche Reich schildern.

Der Neuhumanismus und seine wichtigsten Persönlichkeiten

Bevor wir wirklich zum Neuhumanismus kommen, möchte ich vorher noch kurz zur Aufklärung springen, damit wir den Unterschied in den Denkweisen dieser beiden Strömungen erkennen können.

Die Aufklärung war geprägt von Immanuel Kant (1724 – 1804), einem der bekanntesten deutschen Philosophen. Kant definierte die Aufklärung als den „Mut sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“ (1784). Für den Philosophen war klar, dass der Mensch nur Mensch sein kann, wenn er Erziehung erfährt. Also alles was den Menschen ausmacht, ist die Erziehung. Er sah die Erziehung damals als das größte und schwierigste Problem, das einem Menschen aufgetragen werden kann.
Der Gegenbegriff dazu war der Idealismus, der den Geist in den Vordergrund stellt, um die Welt und das Menschsein zu erklären. Ein wichtiger Repräsentant war Georg Hegel. Die Aufgabe der Schule war es, die Kinder zum „absoluten Geist“ zu führen. Dieser vereint den „subjektiven Geist“ der eigenen Familie und den „objektiven Geist“ des Staates und der Gesellschaft.

Charakteristisch für den Neuhumanismus ist die Wiederentdeckung der griechischen Antike. Man versuchte das Idealbild des Menschen zu finden, indem man die Dichtung, Philosophie und Kunst der alten Griechen zusammenführt.
Der wichtigste Repräsentant der deutschen Schulbildung im Neuhumanismus war Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835). Er war Philosoph und Bildungstheoretiker und im Jahre 1809 wurde Humboldt zum Leiter des preußischen Schulwesens berufen. Humboldt unterschied in seinem „Königsberger Schulplan“ (1809) drei Stadien des Unterrichts: Elementarunterricht (war für alle vorgesehen), Schulunterricht (fand in Gymnasien statt) und Universitätsunterricht.

Nun möchte ich etwas näher auf das Gymnasium eingehen, da man hier schon Gemeinsamkeiten zum heutigen Gymnasium erkennen kann. 1816 legte Humboldt den „Plan eines Gymnasiums, das die 2. Schulstufe der allgemeinen Menschenbildung darstellt“ vor. Bereits hier unterteilte der Bildungstheoretiker den Unterricht in einen „gymnasiastischen Unterricht“ (körperliche Bildung), einen „ästhetischen Unterricht“ (Kunst) und „einen didaktischen Unterricht“ (Griechisch, Latein, Deutsch, Mathematik, Philosophie, Geschichte). Weiters gab es ein neunstufiges Gymnasium und ab 1812 schloss man eben dieses mit einem Abitur ab.

Wesentlich war für Johann Friedrich Herbart (1776 – 1841) der Übergang der ständisch gegliederten Feudalgesellschaft zur aufgeklärten bürgerlichen Gesellschaft. In der aufgeklärten bürgerlichen Gesellschaft muss das Individuum seinen Beruf auf Grund der eigenen Leistung finden. Um solche Entscheidungen zu treffen, ist die Vielseitigkeit des Interesses besonders wichtig.
Er unterschied historisch-humanistische Fächer (Bereich des „Menschenlebens“) und naturwissenschaftliche Fächer.
Herbart entwickelte eine Erziehungstheorie, bei der im Zentrum des pädagogischen Handelns der „erziehende Unterricht“ steht, durch den der Vorstellungskreis des Menschen über „Erfahrung“ und „Umgang“ entwickelt wird. Hierbei sollen Erkenntnis und Interesse gleichzeitig gebildet werden. Die Ausbildung des Vorstellungskreises geht über die „formalen Stufen“: Vertiefung und Besinnung.
Der pädagogische Takt vermittelt zwischen der Erziehungstheorie (Pädagogik als Wissenschaft) und dem erzieherischem Handeln (pädagogische Praxis) und diese Erkenntnis ist für das pädagogische Handeln sehr wichtig. Der pädagogische Takt ermöglicht eine rasche und passende Beurteilung der Erziehungssituation und befähigt zur angemessenen Auswahl der richtigen Methode.
Herbart war ein Kritiker des Staates als Schulträger, denn seiner Meinung nach ist der Staat nur an der Bildung nützlicher Staatsbürger*innen interessiert. Besonders kritisch sah Herbart die Elitenbildung, denn diese führt zu einer „verfrühten Trennung der Kinderwelt durch die Trennungen im Staate“. 

Tusikon Ziller (Herbartianer) leitete aus dem Prozess der Wissensaneignung von Herbart ein Artikulationsschema des Schulunterrichtes ab. Lehrer sollten folgender Weise vorgehen: Analyse (Bewusstmachen des vorhandenen Wissens), Synthese (Aneignung von neuem Lerninhalt), Assoziation (Verknüpfung von altem und neuem Wissen), System (Neuordnung des Wissens) und Methode (Anwendung). Hier wurde der Fokus schon auf den Frageunterricht gelegt – der/die Lehrer*in stellt Fragen, um die Schüler*innen aktiv miteinzubeziehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den Ziller fokussierte, war jener der Lehrer*innenbildung. Hierfür erstellte er ein Konzept, das aus den Phasen des „Hospitiums“, des „Theoretikums“ und des „Praktikums“ und des „Kritikums“ bestand.
Die Zeit des Herbartianismus endete erst im Jahre 1907.

Die Schule in der 1. Republik

Wichtig zu wissen ist, dass es zu dieser Zeit noch keine Verfassung gab, die als Grundlage diente. Der damalige Unterstaatssekretär O. Glöckel (SDP – Sozialdemokraten) leitete das Unterrichtsamt und löste die Lehrer*innen aus der Verpflichtung an der Mitwirkung an religiösen Übungen. Nach diesem Beschluss gab es einige Unstimmigkeiten mit der CSP (Christlich Soziale Partei), die für die Wiedereinführung der öffentlichen katholischen Schulen war.

Die Volksschullehrer*innen strebten schon in den letzten Jahren der Monarchie nach einer Reform im Schulwesen. 1917 kam es dann zu diesem Schulerneuerungsprogramm, das eine „Einheitsvolksschule“, mit fünf Klassen in der Unterstufe und vier Klassen in der Oberstufe, vorsah. Anschließen daran sollte die Oberschule, welche als Studien- und Berufsvorbereitung dienen sollte.
Auch die Volksschullehrer*innenbildung sollte sich ändern – es wurde ein zweijähriges Universitätsstudium gefordert.

1920 gab es ein Paket an Leitsätzen, die das weitere Vorgehen im Schulwesen erläutern sollten. Einerseits gab es die „Leitsätze für den allgemeinen Aufbau der Schulen“, welche besagen, dass es vier Schulstufen in der Volksschule, vier in der allgemeinen Mittelschule mit zwei Klassenzügen und vier Schulstufen in der Oberschule/Fachschule geben soll.
Andererseits wurden die „Leitsätze für die Neugestaltung der Lehrerbildung“ vorgelegt. Diese besagten, dass alle Lehrer*innen eine Ausbildung an einer Universität absolvieren müssen.
Außerdem wurde 1920 die Verfassung beschlossen, jedoch fehlten noch die Regelungen der Kompetenzen zwischen Bund und Bundesländer. Daher gab es ein „Übergangsgesetz“, dieses besagte, dass alle Gesetze der Monarchie bis zur Ablösung durch Bundesgesetze in Kraft bleiben sollen.

Zwei Jahre später, 1922, gab es eine erneute Änderungen in der Volksschullehrer*innenbildung. Von nun an, sollten die Lehrer*innen für vier Jahre eine Pädagogische Oberschule und daran anschließend eine zweijährige Lehrerakademie besuchen.

Um die Mittelschule und die Hauptschule in Österreich einführen zu können, wurden 1927 zwei neue Gesetze beschlossen – das „Mittelschulgesetz“ und das „Hauptschulgesetz“. In den Bereich der Mittelschulen fielen die Gymnasien, Realgymnasien, die Realschulen und die Frauenoberschulen. All diese Schultypen dauerten acht Schuljahre und hatten jeweils vier Jahre Unter- und Oberstufe. Für diesen Schultypen wurde weiterhin Schuldgeld eingehoben.
Die Hauptschulen ersetzen ab sofort die Bürgerschule und mancherorts auch die Volksschuloberstufe. Diese Art von Schule wurde, wie ich oben schon erwähnte, in zwei Klassenzügen mit unterschiedlicher Leistungsanforderung geführt. Außerdem stimmte die Politik zu, eine Durchlässigkeit zur Mittelschule zu schaffen, was bedeutet, dass Schüler*innen mit einem „guten Gesamterfolg“ prüfungsfrei in die Mittelschule übertreten können. Die Umsetzung des „Hauptschulgesetzes“ ging in den Bundesländern unterschiedlich schnell voran. Im Gegensatz zu den Mittelschulen blieben die Hauptschulen schulgeldfrei.

Das Schulsystem während der Zeit des autoritären Ständestaates und dem Anschluss an das Deutsche Reich

Während der politischen Unruhen in der zeit vor dem Zweiten Weltkrieg kam es auch zu einigen Änderungen im österreichischen Schulsystem.

1934 einigte sich das Restparlament darauf, dass der Staat für die Mittelschulen und die Lehrer*innenbildungsanstalten zuständig ist und der Staat ist mit Ergänzung der Bundesländer für die Volks- und Hauptschulen verantwortlich.

Durch die gesellschaftlichen Veränderungen änderte sich auch das Ansehen der einzelnen Schultypen. Während die Mittelschulen als Eliteschulen angesehen wurden, galten die Hauptschulen als gehobene Bürgerschulen und die Obervolksschule war die Schule der unteren Schichten.

Auch in dieser politisch unstabilen Zeit gab es Neuerungen in der Lehrer*innenbildung. 1937 wurden für die Ausbildung der Volksschullehrer*innen sechsklassige Pädagogische Akademien erschafft. Die sechs Klassen waren auf vier Stufen Allgemeinbildung und zwei Klassen Berufsausbildung aufgeteilt.
Für die Mittelschullehrer*innenausbildung war ein achtsemestriges Universitätsstudium vorgesehen. Dieses Studium wurde in zwei Abschnitten für zwei Fächer mit einer Staatsprüfung abgeschlossen.
Keine Einigung gab es im Bereich der Hauptschulen. Hier konnten Volksschullehrer*innen die Lehramtsprüfung abschließen und dann in Hauptschulen unterrichten.

Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich galten von nun an die deutschen Schulgesetze. Die Schulen wurden an das deutsche System angepasst – Umwandlung von Mittelschulen in Oberschulen, Anpassung der berufsbildenden Schulen an das deutsche System und aus der „Fortbildungsschule für Lehrlinge“ wurde die uns bekannte Berufsschule. Erhalten blieb die Hauptschule als gehobene Schule.

Fazit

Wenn man sich die oben genannten Ereignisse und Änderungen im Laufe der Zeit ansieht, kann man erkennen, dass es damals schon Ähnlichkeiten mit dem heutigen Schulsystem gab. Dies wird vor allem in der Zeit des Anschlusses an das Deutsche Reich sichtbar – formale Änderungen die Namensänderung zur Berufsschule und die Hauptschule mit zwei Klassenzügen.
Ich bin mir sicher, dass die Änderungen von damals nicht die letzten gewesen sein werden.

Autorin: Brenner Katharina

Quelle: Helmut Seel, Einführung in die Schulgeschichte Österreichs, S. 50 – 97