Die dicke Schicht der Vorurteile, die jeder kennt, aber nicht anerkennen will.
Jeder kennt unausgesprochenen Vorurteile, welche sich in unserer Gesellschaft verfestigt haben. Sei es, dass Arbeitslose einen geringeren Stellenwert in der Gesellschaft haben oder auch, dass Schulabbrecher und SchülerInnen die danach eine Lehre machen, trotzdem von oben belächelt werden. Mit genau dieser Thematik beschäftigt sich Anna Mayr in ihrem Buch „Die Elenden“.
Zunächst beschreibt Mayr eine Situation, die den meisten Menschen womöglich gut vertraut ist. Sie unterhält sich mit einem Arbeitskollegen über ihre Kindheit bzw. über den Ort, in dem sie aufgewachsen ist. Da dieses Viertel als besonders zwielichtig gilt, hat ihr Kollege sogleich damit begonnen sich über die Menschen die dort Leben lustig zu machen, bzw. ging er sofort davon aus, dass Frau Mayr auf der guten Seite mit den Einfamilienhäusern gewohnt habe und nicht auf der Seite der Plattenbauten, die für Feldversuche von SoziologiestudentInnen genutzt wurden. Mayr beschreibt solch ein Verhalten als empörend, da sie sich einerseits zu den Menschen der Plattenbauten, die praktisch ihre Nachbarn waren, aber auch andererseits mit ihrem Kollegen, mit dem sie täglich zusammenarbeitet, zugehörig fühlt.
Ebenso erging es ihr bei der Frage „Warum ihre Eltern arbeitslos seien?“. Mayr erklärt daraufhin, dass ein Leben nun mal nicht vollständig planbar ist. Denn wäre es möglich ein Leben vollständig zu planen, so würde man zu Beginn seiner Reise einen Fragebogen bekommen, bei dem man ankreuzen kann, was man später einmal werden will. Daraufhin bekommt man eine Karte in die Hand gedrückt, auf der genau erklärt wird, wann man wo abzubiegen hat, um seinen Traum zu erreichen. Nur leider ist es nicht so einfach und es hilft auch nicht das System als Sündenbock darzustellen, denn sobald mehrere Menschen eine Gruppe bilden, wird jedes Individuum instinktiv eine Rolle im Gesamtgefüge einnehmen. Daraus schließt Mayr, dass es keine freien Entscheidung oder eigene Wege zu gehen gibt.
Ein anderer Kollege macht sich kurz vor den Landtagswahlen, über die dummen, ungebildeten und faulen NichtwählerInnen lustig. Für ihn ist es unverständlich nicht wählen zu gehen, da wir in einer Demokratie leben und man dadurch seine Stimme verfallen lässt. Allerdings ist dies nur eine Ansichtsweise, denn es gibt genug Gründe nicht wählen zu gehen und außerdem sind NichtwählerInnen noch lange nicht dumm oder faul, nur weil sie nicht wählen gehen. Mayr hat sich durch diese Aussage ebenfalls provoziert gefühlt, einerseits da ihr Eltern gute Gründe hatten, nicht an dieser Wahl teilzunehmen und andererseits da ihr schon von klein auf eingetrichtert wurde gegen Pauschalisierungen vorzugehen. Deswegen verfasste sie einen Text für eine Zeitschrift, in der sie ihre Gründe und Ansichten über Nichtwähler preisgibt und damit versuchte ein Vorurteil aufzuheben. Allerdings gelang ihr das nicht so ganz. Durch ihren Text hat sie sich praktisch den Menschen unterworfen, die einen Beweis brauchen damit sie anerkennen, dass deren Vorurteile falsch sind.
All diese Vorurteile basieren auf Gesellschaftlichen Rollen beziehungsweise der Herkunft eines einzelnen. Wer in einer reichen Gegend geboren und aufgewachsen ist und immer etwas Geld beiseite hat, wird wohl bei einem Fehlschlag nicht so tief fallen, wie jemand der in einem eher armen Viertel aufgewachsen ist und wenig Geld zur Verfügung hat. Man könnte meinen Geld regiert die Welt, aber nicht alles was man sich wünscht, kann mit Geld erkauft werden.
Ebenso gibt es Stereotypen über die man lieber nicht reden will. Wie zum Beispiel das Preisevergleichen im Supermarkt. Kauft man die billigsten Äpfel, um Geld zu sparen, oder doch die um ein paar Cent mehr, weil sie einem besser schmecken oder sogar die Äpfel, die mir zwar nicht schmecken aber dafür Bio sind. Es gibt in der Gesellschaft immer besser und schlechtere anerkannte Wahlmöglichkeiten. So werden Bioproduktkäufer stets in den Himmel gelobt, da sie ja auf die Herstellung des Produktes achtgeben und demnach gute Menschen seien müssen. Anders ist es bei den Billigproduktkäufern, welche nur die billigsten Produkte und auch nur die, die sie für ihr tägliches Leben brauchen, kaufen. Also sind das schlechte Menschen da sie auch Eier aus Käfighaltung kaufen würden, wenn diese nur billig genug sind. Doch die wahren Gründe will keiner erfragen. Warum kaufen diese Menschen nur billige Produkte? Vielleicht weil sie beim Einkauf von Lebensmittel sparen wollen/müssen und sich eher die Frage stellen „Was brauche ich Wirklich?“ und nicht „Was kann ich mir alles kaufen?“.
Chancengleichheit und Vorurteile sind mittlerweile fundamentale Grundbausteine für das soziale Zusammenleben untereinander. Über Jahrhunderte hinweg haben sich viele Vorurteile und Stereotypen gebildet und wie auch schon Mayr erklärte, liegt es an jedem einzelnen von uns diese Vorurteile abzulegen und Urteilsfrei voranzuschreiten. Somit gibt Mayr zwar einen Einblick in die Gründe warum Menschen unter diesem Vorurteilen leiden und erzeugt so bei den LeserInnen ein Verständnis der Probleme. Jedoch kennt auch sie keinen Lösungsweg bzw. keine universelle Lösung wie der/die LeserIn selbst seine/ihre Vorurteile ablegen kann.