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LV: Gender, Diversität und Inklusion
Artikelsammlung
Gruppe A

Thema 1
Noch steinig und schwer: Der Weg in Richtung Chancengerechtigkeit

Verfasserin: Eva-Maria Schitter

Ein ausführlich behandeltes Thema in Melisa Erkurts Buch „Generation Haram“ ist die Anforderung an Lehrende, Kindern in der Schule eine chancengleiche Grundlage für ihre Zukunft zu schaffen und zu bieten. Die gesellschaftlichen und politischen Erwartungshaltungen liegen dabei denkbar hoch und die Umsetzung unter den aktuellen Rahmenbedingungen gleichen nahezu einem Ding der Unmöglichkeit. Dementsprechender Druck lastet auf dem Lehrpersonal, zumal diese Tatsache eigentlich auch das Fundament für eine gerechte Aufteilung der Wissensressourcen und Bildungsmöglichkeiten in unserem Land bilden sollte. Um das erfolgreich zu realisieren und damit die richtigen Bedingungen für einen chancengerechten Unterricht zu schaffen, wären aber, so Erkurt, eine Vielzahl an Neuerungen und Umstrukturierungen im Bildungssystem notwendig. Das derzeitige Gerüst, auf dem Schule baut, ist nicht hinreichend dafür geschaffen, auf individuelle Schwierigkeiten einzugehen und allen Schüler*innen einen chancengleichen Weg zu ebnen. Allerdings gibt es mittlerweile Initiativen, die sich dieser Problematik angenommen haben, wovon ein Vorbild-Projekt im folgenden nähere Erläuterung finden soll.

SINDBAD ist ein junges österreichisches Unternehmen, das es seit nunmehr vier Jahren in Wien und mittlerweile auch in allen Teilen Österreichs gibt. Es dreht sich dabei um ein Mentoring-Programm, das benachteiligten oder in schwierigeren Verhältnissen lebenden Jugendlichen die Chance bietet, sich abseits der Institution Schule einen Mentor oder eine Mentorin als Begleiter*in an seine Seite zu holen, die sie bei allen herausfordernden Dingen speziell am Übergang zwischen Pflichtschule und weiterführende Ausbildung oder Lehre unterstützen und an ihrer Seite sind. Studierende oder junge Erwachsene, die sich gerne ehrenamtlich engagieren möchten, können sich als Mentor*innen bewerben und werden in Hinblick auf Leadership und ihre Aufgaben als Mentor*in geschult bevor sie mittels „Speed-Dating“ von den Schüler*innen (Mentees), die gerne einen Mentor oder eine Mentorin an ihrer Seite hätten, ausgesucht werden. Im Speziellen geht es um ein 1:1-Mentoring über die Zeitspanne eines Jahres, in dem die beiden (Mentee und Mentor*in) eine freundschaftliche Beziehung aufbauen. Die Schüler*innen finden so Rückhalt, der ihnen vielleicht im familiären Umfeld fehlt, haben eine persönliche Ansprechperson für alle schwierigen Lebensfragen und jemanden, der ihnen in Hinblick auf berufliche und schulische Möglichkeiten Hilfestellungen geben kann. Auf der anderen Seite gewinnen die Mentor*innen auch wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse in Hinblick auf soziale Führungskompetenzen.

Besonders vor dem Hintergrund, dass das Anforderungsprofil einer Lehrperson auch in sozialen und zwischenmenschlichen Belangen Ausmaße angenommen hat, denen wohl nur in der Theorie zu genüge Rechnung getragen werden kann, sind Projekte dieser Art eine besonders erfreuliche und wichtige Ergänzung und Erleichterung, die der Lehrperson zumindest einen Teil ihrer Aufgabe abnehmen können und diese in unterstützender Weise ergänzen.

Thema 2
Mehr Gerechtigkeit?
Verfasserinnen: Wallner Constanze, Feldkircher Lena

Was stellen Sie sich unter dem Titel „Das Ändern der Realität“ vor? Im Grunde genommen könnte sich diese Aussage auf viele verschiedene „Realitäten“ beziehen, oder denken Sie an etwas Konkretes? Falls Sie sich momentan nicht sicher sind, unter diesen Titel fällt zumindest ein Kapitel des Buches „Die Elenden“ von der Autorin Anna Mayr. Darin geht es trivial ausgedrückt um ihre Ansichten und Gedankengänge zum Thema Gerechtigkeit sowie Gleichberechtigung, vor allem in Bezug auf ihre Eltern, die sie schlicht als die „Arbeitslosen“ bezeichnet, doch aus ihrer Perspektive keineswegs negativ dargestellt. Wieso denn auch? Bedeutet „arbeitslos“ denn asozial, faul, elend oder den Staat auszubeuten, indem man Arbeitslosengeld bezieht? Welche Ansichten schweben in ihrem Kopf herum, sofern es um diesen Terminus geht?

Falls Sie sich nun fragen, worauf dieser Blogartikel hinaus will, es wird im Folgenden verraten. Nachdem wir das Kapitel „Das Ändern der Realität“ in dem Buch „Die Elenden“ von Anna Mayr gelesen hatten, entstand der Drang die Gedanken darüber niederzuschreiben und unsere Perspektive über Gerechtigkeit sowie die Realität, oft auch in Bezug auf das Kapitel der gerade erwähnten Autorin, darzustellen.

„Von außen betrachtet eine Aufstiegsgeschichte“, so beschreibt Mayr ihren Lebensweg. Als Tochter von zwei Langzeitarbeitslosen ist sie nun eine anerkannte Journalistin, von Klein weg war sie um gute Noten bemüht, zielstrebig. Dank ihrem guten Abschluss erhält sie durch Stipendien die finanziellen Mittel, die sie benötigt, um zu studieren. Sie erlebt nicht nur den finanziellen, sondern auch den sozialen Aufstieg. Dennoch fühlt sich Anna Mayr nicht zugehörig, weder zur einen, noch zur anderen Welt. Als Beispiel nennt sie eine Situation im Supermarkt, in der sie ewig hin und her überlegt ob sie die teuren, schmackhafteren Äpfel kauft, oder die günstigen. Quantität statt Qualität, oder umgekehrt. Ein innerer Konflikt, der sie täglich begleitet und sie spüren lässt, dass sie sich in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft fremd und unsicher fühlt.

Die Schriftstellerin berichtet zunächst über ein Gespräch mit einem Arbeitskollegen, der unwissend eine mit Vorurteilen beladene Aussage über das Herkunftsviertel der Schreiberin trifft, wodurch sofort zum Ausdruck kommt, dass die beiden Schlagwörter Gerechtigkeit und Diskriminierung, aufgrund von Lebenseigenschaften, die die Gesellschaft als Defizit bezeichnet, das Kapitel prägen. Natürlich stellt man nun fest, dass diese beiden Ausdrücke nicht zusammenpassen und wir schlicht und einfach in einer Gesellschaft leben, wo genau diese Gegenpole nebeneinander existieren. Immer wieder setzen sich Menschen für die Gleichberechtigung ein, für Chancengleichheit, für die Unterstützung armer Menschen und für das Wohl der Gesellschaft. Andererseits ertappen sich viele Menschen, vor allem diejenigen, die unter trockenem Dach leben und finanziell abgesichert sind, dabei, wie sie die Straßenseite wechseln, wenn ein Obdachloser oder eine Obdachlose entgegenkommt oder wie sehr sie über ihr Leben plötzlich glücklich sind, wenn diese hören, wie hoch die Arbeitslosenzahl liegt. Die Wahrheit ist, jeder oder jede hat solch eine Reaktion in irgendeiner Weise schon mal erlebt, sei es auf der einen oder anderen Seite.

Wenn wir vom Thema Gerechtigkeit sprechen, müssen wir auch betonen, dass wir uns in einem unbewussten Wertesystem befinden, aus dem es nur schwer zu entkommen scheint. Beispielsweise erwähnt Anna Mayr in ihrem Buch, dass ihr Vater eine Arbeit vollbringt, die sporadisch erfolgt und von eigentlich so gut wie keinem Menschen wertgeschätzt wird, da diese in einer Wertehierarchie relativ weit unten liegt und als unbedeutend eingestuft wird. So werden beispielsweise auch die Berufsklassen Reinigungskraft und Anwalt oder Anwältin verglichen und hier meist dasselbe Wertesystem angewandt, wenn oft auch unbewusst. Sei es der Beruf oder die Gegend in der man wohnt, die Gesellschaft bewertet und teilt das Gegenüber unbewusst in eine soziale Kategorie ein. Natürlich soll diese Feststellung kein Vorwurf oder dergleichen an alle Mitglieder in einer Gesellschaft sein, da es auch einige Menschen gibt, die genau auf dieses „Schubladendenken“ verzichten. Doch versetzen Sie sich nun selbst in eine Situation, in der Sie von einem früheren Schulkollegen oder einer früheren Schulkollegin hören, der oder die arbeitslos geworden ist. Wie würden Sie reagieren?

Der Punkt ist, dass es grundsätzlich kein Verbrechen ist, eventuell negative Gedanken an solchen Neuigkeiten zu hegen, doch die Chance eines Umdenkens ist immer gegeben. Umdenken in Richtung Verständnis, Empathie, Gleichbehandlung. Natürlich musste ein Anwalt oder eine Anwältin ewig studieren, um einen derartigen Beruf ausüben zu können und sich in einem ruhigen Viertel ein schönes Haus leisten zu können, doch im Grunde genommen sagt dies nichts über die Art und Weise aus, wie ein Mensch behandelt werden soll. Aber wie soll dieser oder diese denn nun behandelt werden? Die Antwort darauf ist: Einfach wertschätzend, nicht herablassend und mit Respekt, weil jedes Individuum ein Recht auf Gleichberechtigung hat, unabhängig von der Herkunft, der Beschäftigung, dem Alter, dem Aussehen und so weiter.

Die in einer Gesellschaft entstandenen sozialen Klassen sind im Grunde genommen nichts weiter als die Selektion in „gut“ und „schlecht“, aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, die zum Gegenteil von Gerechtigkeit, Chancengleichheit etc. führen. Werte, die in einer Demokratie eigentlich ganz vorne stehen sollten, es aber in vielen Hinsichten nicht tun. Wir leben in einem System, in einer „Gemeinschaft“, die uns gewissermaßen in eine bestimmte Richtung lenkt, die wir oft nicht beeinflussen können. Beispielsweise die in Anna Mayrs Buch erwähnten Soziologiestudenten und Studentinnen, die als „Forschungsprojekt“ in ein „Armenviertel“ fahren, um dort die Zustände zu beobachten. Wobei hier das eigentlich objektive Verb „beobachten“ nicht verwendet werden kann, da sich die Studenten und Studentinnen oft, hier soll nicht verallgemeinert werden, als bedeutsamer, gebildeter und einfach wohlhabender betrachten, und sich dementsprechend verhalten.

Worauf wir nun letztendlich hinaus wollen? In dieser Welt und in jedem Individuum gibt es die Chance auf Gleichberechtigung und Wertschätzung des Gegenübers. Indem Anna Mayr in dem Kapitel „Das Ändern der Realität“ viele Situationen nennt, in denen Vorurteile über „Arbeitslosigkeit“ getätigt wurden oder in denen ihr Herkunfts Viertel als abschreckendes Beispiel galt/gilt oder auch diese in denen sie berichtet, dass sie nun keiner oder keine mehr schlechter behandeln würde wegen ihrem erreichten Status, demonstriert sie die Problematik eines Wertesystems in unserer Gesellschaft, in dem es gilt, umzudenken. Das heißt einfach Verständnis zu haben, im Sinne von “nicht Einmischen” in das Leben anderer sowie deren Lebensweisen zu akzeptieren, ohne zu werten. Das eigene Leben ist bedeutsam und so ist auch jedes andere Leben gleich bedeutsam sowie alle Menschen auf dieser Erde die gleichen Chancen erhalten sollten, werden diese genutzt oder eben auch nicht. Leider sind wir von den Werten der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit noch weit entfernt, doch zumindest im kleinen Kreis könnte das Bemühen darum schon mal beginnen.

Thema 3
Die traurige Notwendigkeit des Genderns
Verfasserin: Anna Untersberger

Inspiriert durch unsere erste Lehrveranstaltungseinheit würde ich sehr gerne noch einmal das heiß diskutierte Thema „Gender“ aufgreifen. „Gender“ ist natürlich eine breitgefächerte Angelegenheit und spricht eine gesamtgesellschaftliche Problematik an, die in der Wirtschaft, der Politik, im Privaten, dem Sozialwesen und überall sonst relevant ist. Gerade deshalb, um aus dem Blogartikel keinen ewig langen Aufsatz zu machen, erscheint es mir sinnvoll, mich auf einen Gesichtspunkt zu fokussieren: die genderneutrale Sprache.

In meiner Freizeit habe ich schon so einige Debatten und Dokumentationen zum Thema genderneutraler Sprache mit großem Interesse verfolgt. Dabei ist mir besonders aufgefallen, dass es zwei sehr interessante Ansichten dazu gibt, wie wir unsere Sprache genderneutral gestalten können. Diese zwei Lösungsansätze verfolgen exakt das gleiche Ziel, allerdings auf extrem verschiedenen, ja sogar gegensätzlichen Wegen, deren Gegenüberstellung das Thema meines Artikels sein soll.

Der erste Weg hin zu einer Gleichstellung aller Geschlechter in geschriebener sowie in gesprochener Sprache ist das allbekannte „Gendern“, indem Wörter sowohl in weiblicher als auch männlicher Form geschrieben/gesprochen werden und darüber hinaus beispielsweise mit dem Gendersternchen auch all jene miteinbezogen werden, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren (Bsp: Lehrer*innen). Ich bin mir sicher, dass jeder der diesen Artikel liest schon ein kleiner Spezialist auf diesem Gebiet ist, deshalb will ich gar nicht so lange von etwas erzählen, das ohnehin schon jeder kennt, sondern direkt übergehen zu dem zweiten etwas abstrakten Lösungsweg.

Als abstrakt bezeichne ich dieses Konzept deshalb, weil es durchaus nachvollziehbar und in sich schlüssig ist, allerdings vielmehr utopisches Gedankengut darstellt. Der Grundgedanke hierbei ist, dass das permanente Verweisen auf Geschlechter bewusst außen vor gelassen wird und der Fokus mehr auf das Bezeichnete gelegt werden soll, anstatt das Bezeichnete mit einem Geschlecht zu verbinden. Dieser Lösungsweg fordert also keine Veränderung der Sprache, dafür aber eine grundlegende Veränderung der Denkweise unserer Gesellschaft. Menschen, die diesen Lösungsweg unterstützen, betonen immer wieder, dass es nicht nötig sei zu Gendern, wenn sich alle darauf einigen würden anzuerkennen, dass alle Begriffe neutral behandelt werden sollen ohne sich ein Geschlecht dazu vorzustellen.

Ich persönlich habe lange über diese Argumentation nachgedacht und abgewogen wie standhaft sie ist. Dabei bin ich zu meinem eigenen Erstaunen zu dem Schluss gekommen, dass ich, ohne mir darüber bewusst zu sein nach diesem Konzept gelebt habe und lebe. Als weibliche Person habe ich mich noch nie als „Studentin“ bezeichnet, stattdessen gesagt „Ich bin Student“, um damit einfach meine Tätigkeit des Studierens auszudrücken. Ebenso denke ich zum Beispiel bei den Begriffen „Lehrer“ oder „Eisverkäufer“ nicht an eine männliche Person sondern einfach an jemanden, dessen Beruf ebendieser ist.

Leider ist dieses Denkverhalten in der Gesellschaft nicht vorhanden und diese Ansicht deshalb auch nicht allgemein anwendbar. Es bleibt eine Wunschvorstellung. Vor allem die Historie zeigt uns, dass das Weibliche dem Männlichen immer untergeordnet war und sich dementsprechend die Sprache entwickelt und verfestigt hat. So kam es, dass männliche Begriffe das Weibliche mit einschließen, aber nicht umgekehrt. Genau um diese männlich dominierte Struktur aufzubrechen, braucht es die Zwischenstufe des Genderns.