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Chancengleichheit in der Bildung in Österreich

Verfasserin: Lara Dürnberger

 

Jedes Kind sollte dieselben Chancen auf Bildung haben. Leider ist diese selbstverständliche Forderung nicht so einfach umzusetzen. Man kann nicht behaupten, nur weil jemand in ärmlicheren Verhältnissen aufwächst, wird diese Person es sowieso nie weit bringen in der Schule, und doch bewahrheitet sich dies oft. Auch Vorurteile, dass Kinder, deren Eltern eine höhere Bildung genossen haben, auch später einmal ein Studium abschließen, stimmen nicht immer, und doch stehen die Chancen, dass Eltern ihre Kinder für die Bildung begeistern können, wenn sie selbst sehr gebildet sind, höher. Diese Kinder haben in Österreich eine größere Chancenmöglichkeit auf Bildung als Kinder aus bildungsfernen Haushalten.

Der im Standard veröffentlichte Artikel „Bildung wird in Österreich überdurchschnittlich vererbt“, beschäftigt sich mit genau dieser Thematik. Österreich schnitt im Vergleich mit anderen Industrienationen in der Pisa-Studie 2015 viel schlechter ab. Wenn man sich die Zahlen genau ansieht, erkennt man, dass in Österreich der sozioökonomische Hintergrund die Bildung von Kindern mehr als in einigen anderen Ländern Europas beeinflusst.

Auch die naturwissenschaftlichen Leistungen in der Pisa-Studie 2015 zeigen, dass die österreichischen Schüler und Schülerinnen nicht gut abschnitten. Mit 88 Punkten lagen sie zwar über dem OECD-Schnitt, jedoch lagen die Leistungen des laut Sozialstatus untere Viertel deutlich unter dem Durchschnitt.

Natürlich gibt es laut der Pisa-Studie 2015 Kinder, die aus benachteiligten Familien kommen und trotzdem ein gutes Ergebnis erreicht haben.

Nur zehn Prozent der Schüler aus bildungsfernen Schichten schaffen in Österreich ein Studium. Im Länderschnitt sind es 21 Prozent, also doppelt so viele! Im Rahmen einer Studie wurden 26- bis 65-Jährige befragt. Nur 29 Prozent gaben an eine höhere Bildungsstufe als ihre Eltern erreicht zu haben. Länder, wie Finnland und Südkorea kommen auf über 50 Prozent, der Durchschnitt der Teilnehmerländer liegt bei 41 Prozent.

Natürlich haben es Kinder aus bildungsfernen Schichten schwerer im Bereich der Bildung gut abzuschneiden. Zum sozialen Status zählen nicht nur Bildungsabschlüsse und Berufsausbildung der Eltern, sondern auch Faktoren wie das Vorhandensein eines Computers und Breitbandinternet im Haushalt. Diese Faktoren beeinflussen auch den Zugang zu digitaler Bildung. Wenn Kinder nicht sehen, dass Eltern Bücher und Zeitungen lesen, fehlt eine grundlegende positive Vorbildfunktion.

Auch der Aspekt, dass Kinder von Eltern, die einen Hochschulabschluss haben, später ebenfalls einen relativ hohen Bildungsgrad erreichen werden, beweist uns wie ungerecht Bildung für Kinder sein kann. Natürlich ist ein Kind engagierter in der Schule, wenn die Eltern es motivieren und ihm bestimmte Bildungsthemen näherbringen. Wenn auf Kinder zuhause Eltern warten, denen egal ist, welche Note ihr Kind in der Mathematik Schularbeit bekommen hat oder ob es brav seine Hausübungen macht, ist natürlich auch keine extrinsische Motivation vorhanden. Es werden viele sagen, Schüler und Schülerinnen müssen selbständig sein und ohne Hilfe der Eltern die Schule meistern. Doch wenn von außen, also von der Familie keine Motivation kommt, sehen sie auch keinen Grund gut in der Schule zu sein und weiter zulernen.  

Die Frage ob Bildung in Österreich vererbt wird, kann man nur mit ja beantworten. Es gibt immer Ausnahmen: Kinder oder Jugendliche, die es trotz einfacher Verhältnisse, aus bildungsfernen Haushalten, schaffen einen hohen Bildungsgrad zu erreichen.

Doch von Gerechtigkeit kann man trotzdem nicht sprechen, wenn diese Kinder und Jugendliche sich Bildung erkämpfen müssen, während andere dieses Privileg als selbstverständlich sehen. Zu dieser Problematik können Lehrpersonen jedoch einen positiven Beitrag leisten, wenn sie Schüler und Schülerinnen von Anfang an gleichbehandeln, sie nicht abstufen in „leistungsschwächere“ Schüler. Als Lehrperson kann man zwar an privaten Schicksalen nichts ändern, jedoch kann und sollte man in der Schule versuchen, allen das gleiche ermöglichen: eine Chancengleichheit in der Bildung!

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Linguizismus

Verfasst von Lena Lesslhumer & Sarah Hammelmüller

Kinder mit andere Erstsprache als Deutsch sind schon lange nicht mehr nur in den Großstädten auffindbar. Die Sprachenvielfalt gehört in den österreichischen Schulen schon längst zum Alltag. Denn Fakt ist, mehr als die Hälfte der in Wien lebenden Schüler*innen haben eine andere Muttersprache als Deutsch, das ist die Realität.

Oftmals ist es so, dass Kinder und Jugendliche im Elternhaus und in ihrer Freizeit in ihrer Muttersprache reden, aber im Schulalltag auf Deutsch „umswitchen“. Häufig hat das zur Folge, dass sie ihre Muttersprache nur noch mangelhaft beherrschen und Deutsch nur spärlich anwenden können. Liegt es am Schulsystem selbst, an den Lehrkräften oder doch an der Unterstützung zu Hause?

Ein großes Problem stellt die alltägliche Diskriminierung der Schüler*innen dar. Kein Schultag vergeht, an dem ein*e Schüler*in nicht aufgrund seines*ihres Nachnamens, der anderen Aussprache oder des etwas anderen Aussehens diskriminiert wird. Diese Art von Ausgrenzung wird auch als Form von Rassismus bezeichnet und wird Linguizismus genannt.

Mir stellt sich immer wieder die Frage, wie wir als angehenden Lehrer*innen diese Probleme, welche zunehmend relevanter werden, bekämpfen können. Nicht zuletzt deshalb, weil man sich auch selbst hin und wieder dabei ertappt, ungewollt in genau diesen Kategorien zu denken und sich unbewusst schon im Vorhinein, ohne tatsächliche Fakten zu haben, ein Bild von einem anderen Menschen zu machen. Gerade hier ist es von Nöten, immer wieder die eigenen Meinungen diesbezüglich zu reflektieren und so in puncto Aussagen oder Verhalten größtmögliche Objektivität gegenüber anderen zu gewährleisten.

Des Weiteren soll, wie es Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ im Kapitel „Wieso können Sie so gut Deutsch?“ erfasst, das generelle Problem der Mehrsprachigkeit bereits im Kindergarten thematisiert werden.

Um die Sprachentwicklung geeignet für alle Kinder zu fördern, ist der ständige Kontakt mit der Sprache Voraussetzung, Bilder- sowie Hörbücher begünstigen das Lernen. In Ausnahmefällen sollte immer ein Logopäde zur Verfügung stehen. Des Weiteren sollte man nicht gegen, sondern mit Hilfe der Muttersprache die Sprachentwicklung fördern.

Aber wie bereits erwähnt, ist nicht nur die Fähigkeit des Sprachgebrauchs, sondern die allgegenwärtige Diskriminierung eine große Problematik.

Nach Deutsch sind Türkisch und Serbisch in Österreich die meist gesprochenen Sprachen. Jedoch fällt das kaum jemanden auf. Die Diskriminierung beziehungsweise das Zurechtweisen, dass in Österreich ohne Ausnahme Deutsch gesprochen wird beginnt bereits am Schulhof. Es kommt nicht selten vor, dass Schüler*innen von Lehrkräften oder Mitschüler*innen ermahnt werden gefälligst Deutsch zu sprechen.

In Bezug auf die Diskriminierung sei auch erwähnt, dass besonders das Sprechen von nicht romanischen Sprachen als verpönt gilt oder oft als Nachteil für das Erlernen von anderen Sprachen wahrgenommen wird, was natürlich absolut nicht stimmen kann.

Bricht man die Mehrsprachigkeit herunter so fällt auf, dass jede*r einzelne, egal ob mit Migrationshintergrund oder nicht, tagtäglich unterschiedliche Sprachen nutzt: Innerhalb der Familie wird im Dialekt gesprochen, unterhält man sich über technische Phänomene so kommt man um Termini aus dem Englischen nicht herum. Holt man sich in der Mittagspause etwas zu Essen bestellt man einen Kebap, abends genießt man Spaghetti Bolognese.

Auch wenn es so mancher vielleicht möchte während sieer sich auf Traditionen besinnt, man kann Mehrsprachigkeit nicht entfliehen. Nutzen wir sie als Chance nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken weiterzuentwickeln.

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Erkennen der eigenen Privilegien?
Verfasserin: Wallner Constanze

Wenn Sie diese Überschrift lesen, was stellen Sie sich darunter vor? Privilegien im Sinne von Gesundheit, im Sinne von Geld, im Sinne von beruflichen Aufstiegschancen? Oder nun etwas ganz anderes?

Im Grunde genommen bedeutet das Wort Privileg, wie es Melisa Erkurt in einem Kapitel „Privilegien erkennen“ ihres Buches „Generation Haram“ zum Ausdruck bringt, gewisse Chancen zur Verfügung zu haben, dafür trotzdem hart arbeiten zu müssen, mehr oder weniger, und diese letztendlich zu erlangen. Sie denken sich wahrscheinlich nun, dass dies selbstverständlich ist. Doch ist es das wirklich?

Um der traurigen Wahrheit ins Auge zu blicken, bekommen beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund ca. um die Hälfte weniger Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch als Menschen ohne Migrationshintergrund, zumindest in Österreich, wie es Melisa Erkurt hervorhebt. Diese erhalten somit eine Chance, arbeiten hart dafür und bekommen nun allerdings ihren Wunsch nicht erfüllt. Doch wäre dies der einzige Punkt, in dem Privilegien über gewisse Lebensentscheidungen, Erfolge und Jobangebote bestimmen, wäre im Grunde genommen „alles in Ordnung“. Oder?

Um es nun pointiert darzustellen: Jede Person auf diesem Planeten trägt ein gewisses Päckchen mit sich, metaphorisch zu verstehen, in dem sich bestimmte emotionale sowie körperliche Lasten, Lebensversicherungen, dramatische Erinnerungen, Weisheiten, Lebenseinstellungen etc. befinden. Seien es für den Einen die große Menge an Geld, die verdient werden und die es gilt effektiv zu investieren, sind es für den Anderen die Sorgen, nicht genug Geld für die Familie zu erarbeiten. Dieses Ungleichgewicht an Lasten, die alle Menschen in größerer oder kleinerer Form auf ihrem Rücken tragen, kristallisierte und kristallisiert sich vor allem während der Corona-Pandemie heraus.

Als Beispiel profitiert eine bestimmte „Fitness-Influencerin“ sehr stark von der Pandemie, in dem sie pro Woche ca. zwei neue „Workout-Videos“ auf der Plattform „YouTube“ hochladet. Ihre Follower und Followerinnen* sehen dies als Option zum Training im Fitness-Studio, nutzen dies und die Einnahmen dieser Person sind fast höher als vor der Pandemie, das für den oder die natürlich hervorragend ist. Im Gegensatz dazu sind die Fitness-Studios, die nun schon seit November geschlossen sind, im Kampf ums nackte Überleben, da sie die anstehenden Kosten nicht mehr mit den Einnahmen durch die Mitglieder abdecken können. Zudem steigt das Risiko, dass viele Menschen, die zuvor gerne ihr Training in einem gemeinschaftlichen Sportstudio durchlebten, nun andere Optionen, wie eben die sogenannten „Home-Workouts“ gefunden haben und in diesem Fall nicht mehr eine zu bezahlende Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio antreten wollen. Die einen steigen auf, die anderen werden fallen gelassen, sofern nicht ausreichend Unterstützung naht.

Die Corona-Pandemie zeigt auch auf, wer denn nun trotz Kurzarbeit und sozialer Isolation ein grundsätzlich schönes und gesegnetes Leben weiterführen darf und wer nicht. Hier kommt wiederum der Aspekt des Privilegs zu tragen. Wer seinen Job in einer Firma verloren hat, die aufgrund großer Schulden den Konkurs anmeldet und die MitarbeiterInnen* nicht mehr bezahlen kann, hat eben ganz andere Sorgen als jemand, der nun verärgert darüber ist, in Kurzarbeit umsteigen zu müssen und nun jeden Tag Zeit hat, Sport zu machen.

Lange Rede kurzer Sinn, in jeder Lebenssituation und in jeder sozialen Schicht kann man ein Problem als solches benennen. Ob es in der einen Lebenslage denn nun wirklich ein Problem ist und in der anderen etwa nicht, ist immer eine Frage der Perspektive. Doch haben wir überhaupt das Recht, über das Leben anderer eine Stellungnahme zu ergreifen? Oder sprechen wir hier schlichtweg von der Einstellung „des Privilegs über andere zu urteilen, weil wir uns in einer besseren, hart erarbeiteten Erfolgssituation befinden“?

Im Grunde genommen gilt es hart zu arbeiten, um an gewisse Privilegien wie die finanzielle Sicherheit, die Selbstverständlichkeit des Urlaubs sowie an das Auto mit Sitzheizung zu gelangen. Doch um es beim Namen zu nennen: Diejenigen Menschen, die mit natürlichen Eigenschaften wie einem Migrationshintergrund, einer anderen Hautfarbe, einem nicht akzentfreien Deutsch ausgestattet sind, müssen noch viel härter arbeiten, als diejenigen, die sich als „waschechte“ österreichische StaatsbürgerInnen* bezeichnen können. Dieser Standpunkt wird vor allem von der Autorin Melisa Erkurt in dem bereits genannten Kapitel „Privilegien erkennen“ vertreten. Warum? Weil wir schlicht und einfach in einer sozialen Wertehierarchie leben, in denen die Menschen bezüglich bestimmter auffallender Merkmale, durch die sie sich vom Rest der Standard-ÖsterreicherInnen* abzeichnen, bewertet, unbewusst in eine gewisse Schublade eingeordnet werden, metaphorisch zu verstehen, und je nachdem auch gewissermaßen behandelt werden. Und hier ergibt sich das soziale Problem, das man ebenfalls als Diskriminierung bezeichnen könnte. Menschen, die während der Pandemie immer einen finanziellen Polster haben, lehnen sich zurück und jammern über die zusätzliche Zeit, die sie jetzt zur Verfügung haben, während andere Jobinterview für Jobinterview besuchen, sich stark bemühen und trotzdem wenig Erfolgserlebnis haben, weil sie eben und eventuell BürgerInnen* mit Migrationshintergrund sind.

Dies soll nun keinesfalls als eine Botschaft eines Moralapostels gelten, der alle Wohlhabenden dazu auffordert, ihre Privilegien abzugeben und darauf zu verzichten. Dieser Beitrag soll einfach etwas wachrütteln. Welche Privilegien darf ich genießen? Wofür darf ich jeden Tag dankbar sein? Wie könnte ich anderen gegenüber meine Dankbarkeit vermitteln? Ist es mein Recht, über das Leben anderer zu urteilen, wenn ich ihre Geschichte und ihr persönliches „Päckchen“ nicht kenne?

Versuchen Sie doch, falls Sie es nicht schon längst tun, in ihrem Alltag etwas mehr Empathie, Verständnis, Selbstreflexion anzuwenden. Selbstreflexion im Sinne vom Erkennen eigener Privilegien, dem bewussten Umgang damit und eventuell den Menschen zu helfen, die ein Stück Unterstützung nötig hätten, weil diese nicht mit den natürlichen Privilegien ausgestattet sind. Auch wenn dies nur so weit möglich ist, dass man die 80-Jähirge Nachbarin versteht, wenn sie einem über das Gartentor alle möglichen Geschichten erzählt, weil sie sonst keinen oder keine mehr hat, dem oder der sie dies erzählen kann. Denken wir bitte nicht immer nur an uns selbst, sondern auch an andere!

 

Faust, oida!
— oder Eine Abrechnung mit der AHS-Huldigung
Verfasserin: Eva-Maria Schitter

Sagt eine Professorin zum Studierenden: „Sie kommen von einer HBLA? Davor Hauptschule? Ich frage mich immer, wie sich solche Leute hierher [Universität; FB Lehramt Germanistik] verlaufen können.“ 

Was klingt, wie ein schlechter Witz, ist aus dem Alltag eines jungen Studierenden einer österreichischen Universität gegriffen, dem durch seinen offenbar als minderwertig eingestuften Bildungsweg nicht hinreichende Kompetenzen für die Universität bzw. insbesondere den Fachbereich vorgeworfen werden. Die Aussage der Professorin öffnet in mehrerlei Hinsicht den Diskussionsrahmen zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Problematiken, die im Hochschulkontext und auch darüber hinaus dringend Behandlung bedürfen. Abgesehen von der bloßstellenden Diffamierung eines HBLA-Abgängers thematisiert die Aussage der Professorin einerseits die ebenso auf die allgemeine gesellschaftliche Haltung übertragbare Problematik der hierarchischen Wertigkeit unterschiedlicher Schultypen und andererseits die offensichtlich unzulänglich eingestufte schulische Vorbildung des Studierenden im Bereich der Germanistik. Diese Anknüpfungspunkte sollen auf wissenstheoretischer und gesellschaftspolitischer Ebene im Folgenden besprochen werden.

Freilich ist das erwähnte Zitat nur ein Blitzlicht. Aber es ist leider trauriger Alltag, dass uns nicht zuletzt und besonders eindringlich in der akademischen Lehrer*innenausbildung suggeriert wird, dass das Nonplusultra im Hinblick auf einen erfolgreichen Bildungsweg sowohl als Lernende als auch als werdende Lehrende die AHS ist. Ebenso ist es erschreckenderweise unausgesprochene Tatsache, dass Bildungswege, die über die MS (vorm. Hauptschulen) laufen, im gesellschaftlichen Kontext grundsätzlich Geringschätzung gegenüber den allgemeinbildenden Schulen erfahren. Dieser Missstand muss eilends annulliert werden. Um jemals Chancengleichheit als geltenden Grundpfeiler im Kontext Bildung überhaupt erst denkbar zu machen, ist es unumgänglich der seit der Aufspaltung in die verschiedenen schulischen Systeme indoktrinierten Bevölkerung diesen Glauben auszutreiben. Dazu ist es nötig, dass eine Überzeugung breitenwirksam etabliert wird hin zur Anerkennung der unterschiedlichen Qualitäten der Schultypen und zur Würdigung der Verschiedenheiten, die jede einzelne jeweils ausmachen — und zwar in einer Weise, die uns diese nicht in ein wertendes Hierarchiegefälle einzuordnen sondern nebeneinander in ihren individuellen Qualitäten stehen lassen. Das Faktum, dass bis dahin der Weg noch steinig und schwer ist, darf nicht zur Resignation führen sondern sollte allem voran in der Lehrer*innenausbildung viel eher als Kampfansage gegen ein System gesehen werden, das von unfairen und veralteten Machtmechanismen bestimmt wird.

Der Aussage der Professorin ist die implizite Botschaft inhärent, dass in der Mittelschule bzw. in fachlich nicht geisteswissenschaftlich ausgerichteten und auf breites Allgemeinbildung bauenden Schulformen Inhalte zu Kultur- und Literaturwissen keine Rolle spielen, da man scheinbar die Auffassungsgabe der Edukanten als dafür unzureichend einstuft. Ja, Mittelschulen werden zwar vornehmlich von Schüler*innen besucht, die nach der Pflichtschulzeit eine Lehre machen und nicht das anstreben, was man „intellektuelle Gesinnung“ schimpfen könnte. Und ja, Kinder mit Migrationshintergrund haben zwar vermehrt Probleme mit der Deutschen Sprache und besuchen vornehmlich eine Mittelschule als eine AHS. Aber das heißt noch lange nicht, dass ihnen nicht auf speziell auf sie abgestimmte Wege literarische und kulturelle Bildung vorenthalten werden muss, in der Annahme, sie verstünden die Inhalte ohnehin nicht. Dass Lernende, die nicht muttersprachlich mit der deutschen Sprache vertraut sind, Schwierigkeiten haben, den originalen Faust zu lesen, muss nicht ausführlicher diskutiert werden. Zugegebenermaßen: Sogar als Germanistik-Studierende stößt man dabei stellenweise an seine Grenzen. Hier ist die Kreativität und das pädagogische Fachkompetenz der Lehrenden gefragt. Unsere Aufgabe ist es, Wege zu finden, die enthaltenen Inhalte alters- und niveaugerecht mit unseren Schüler*innen aufzuarbeiten, sodass sie die Kernaussagen und die Werte, die darin vermittelt werden, begreifen. Im Faust geht es ums Leben! Goethe behandelt darin eine Problematik, die uns seit Menschengedenken beschäftigt und die auch Inhalt dieses Artikels ist: Eliten benutzen die weniger Bemittelten zu ihren Gunsten. Bezugnehmend auf das eingangs erwähnte Fach Germanistik soll erwähnt sein, dass wir speziell in Bezug auf literarische Bildung absehen müssen vom erpicht Sein auf Deklinationen und richtige Konjugationen. Holen wir die zentralen Werke, auf die unsere Kultur baut, in das reale Leben und stellen wir unser pädagogisches Können unter Beweis indem wir Vermittlungsstrategien entwickeln, die auf die Berücksichtigung der Alters- und Entwicklungsbesonderheiten der unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmt sind! Schaffen wir Zugänge, die die Stücke erfahrbar und begreiflich machen und geben wir Werte weiter, die dazu befähigen, sich später im Leben zurecht zu finden und sich eine eigene, reflektierte Haltung zu den Dingen, die die Welt bewegen, zurechtzulegen. Dass dafür nicht ausschlaggebend ist, welchen Schultyp man besucht hat, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wir formen die Gesellschaft der Zukunft — dieser Heeresaufgabe sollten wir uns bewusst sein und mit einer dementsprechenden Werthaltung und Motivation, den Bildungsauftrag ernst zu nehmen, sollten wir unserer Berufung und unserem Beruf begegnen. 

 

Richard David Precht und Christian Rieck zum Thema Noten
Verfasserin: Anna Untersberger

Das Schulsystem, in dem sich Schüler*innen zurzeit befinden, lädt Philosoph*innen, Wissenschaftler*innen und eigentlich jeden Menschen direkt dazu ein, es auf den Kopf zu stellen, zu kritisiert, hinterfragt und neu zu denken. Besonders wenn es um Noten geht wird kontrovers diskutiert. Die einen sprechen sich dafür aus, die anderen dagegen. Heute soll es vor allem darum gehen, die Meinungen von meines Erachtens nach sehr interessanten Persönlichkeiten, Christian Rieck und Richard David Precht auf den Grund zu gehen, sie darzustellen und dem Ganzen eigene Gedanken hinzuzufügen.

Wenn es um Noten geht treffen extrem viele Meinungen aufeinander. Deshalb ist mir wichtig hervorzuheben, dass die beiden Auffassungen, die ich heute thematisieren werde, bloß ein winziger Bruchteil des riesigen Potpourris an Meinungen zum Thema Noten sind. Mit Hinblick auf diese riesige Meinungsdiversität würde ich noch gerne einen Denkanstoß liefern: Besonders in der modernen Welt, in der wir leben, gibt es nicht die eine absolut richtige oder absolut falsche Position, vielmehr herrscht eine pluralistische, individualitätsfähige „Wirklichkeit“. Deshalb denke ich, dass es enorm wichtig ist nicht in richtig und falsch zu denken, sondern mehrere Meinungen zuzulassen und sich dessen bewusst zu sein, dass es verschiedene, nebeneinander existierende „Wahrheiten“ gibt, man aber natürlich trotzdem seine eigene Meinungen und Tendenzen vertritt.  

Prof. Dr. Christian Rieck ist in erster Linie Wirtschaftswissenschaftler und Autor, beschäftigt und äußert sich aber auch zu vielen anderen interessanten Themen wie der Sozialwissenschaft. Was das System der Notenvergebung angeht vertritt er eine absonderliche Meinung, er sagt: „Noten sollen nicht objektiv, sondern subjektiv vergeben werden“. Das können wir jetzt erst mal verdauen und sacken lassen. Ich für meinen Fall war jedenfalls äußerst verwirrt als ich das gehört habe. Im Lehramtstudium wird uns doch immer wieder eingeschärft, dass Objektivität die oberste Prämisse bei Notenvergebung ist? Aber ist absolute Objektivität überhaupt möglich? Außerdem hält Rieck nichts davon die Noten abzuschaffen, er betont die Notwendigkeit der „Endkontrolle“, ohne die die Schüler*innen sich erst gar nicht oder nur wenig bemühen würden. Aber wie kommt Rieck eigentlich auf die Idee, Noten müssten subjektive Bewertungen sein? Für ihn steht fest, die Noten, die in den Zeugnissen der Schüler*innen stehen, sagen sowieso fast nichts darüber aus, wie gut sie das Fach beherrschen, sondern sagen vielmehr darüber etwas aus, ob sie bestimmte Qualitäten unter Beweis gestellt haben, die mit dem Fachwissen korrelieren. Er erklärt, dass es in einer Welt, die nun mal von vorne bis hinten von subjektiven Wahrnehmungen geprägt ist, keinen Sinn macht Schüler*innen alle gleich und objektiv zu bewerten. Ganz nach dem Motto: Schule bedeutet Diversität, warum sollte man also völlig unterschiedliche Menschen gleichsetzten und nach einem staatlich vorgegebenen Mechanismus beurteilen, der Heterogenität nicht berücksichtigt? Das würde nur funktionieren, hätten alle die gleichen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen usw.., so Rieck. Er erklärt außerdem, dass es für ihn wichtig sei die Qualität der sozialen Interaktion, die Schüler*innen an den Tag legen, sowie individuelle Lernfortschritte mit in die Note zu beziehen. Auch Bemühungen, die dann am Ende vielleicht doch keine Früchte tragen, sollten berücksichtigt werden. Wie subjektive Notenvergebung im Detail dann wirklich aussehen würde konnte ich in meiner Recherche leider nicht ausfindig machen.

Mir tun sich nun einige Fragen auf, die euch wahrscheinlich ebenfalls beschäftigen: Inwieweit haben Lehrer*innen überhaupt Einblick in das Leben der Schüler*innen? Setzt der Gedanke an subjektive Benotung nicht unrealistischerweise voraus, dass man über den/die einzelnen/einzelne Schüler*in alles weiß und einem alles auffällt und man auch alles „richtig“ einschätzt? Müsste die Lehrperson nicht allwissend sein, was es natürlich in keinem Fall gibt? Wenn man soziale Interaktion ebenfalls mitbeurteilt, fängt man dabei nicht an in Wirklichkeit deren Persönlichkeiten zu beurteilen? Was wäre mit introvertierten Schüler*innen, die gar keine oder wenig soziale Interaktion an den Tag legen? Was wäre mit den Schüler*innen, die der Lehrperson vielleicht gar keinen Einblick in deren soziale Umgebung, oder in deren Lernvoraussetzungen geben wollen? Hätten Schüler*innen, die die Lehrperson sympathisch findet Vorteile?

Anfangs war ich der Idee durchaus zugeneigt, denn im Grunde ist der Gedanke an eine Benotung, die Diversität und Heterogenität berücksichtigt recht schön. Doch wie so oft könnte, meiner Meinung nach, auch diese prinzipiell schöne Überlegung an der tatsächlichen Umsetzung scheitern und in Chaos ausarten. Allerdings beinhaltet seine Idee auch, für mich greifbare und realistische Elemente, wie das Konzept von „Lernen sichtbar machen“ und Lerngeschichten berücksichtigen. Rieck greift jedenfalls eine Problematik auf, die zum Denken anregt und einem in seiner eigenen Meinung weiterbringt.

Als Kontrast dazu plädiert der Philosoph und ebenfalls Autor Richard David Precht für eine völlige Abschaffung der Noten. Allerdings hält er das nur für sinnvoll, wenn man mit dem Abschaffen der Noten auch gleichzeitig das ganze Schulsystem revolutioniert. Wie für Prof. Dr. Christian Rieck steht auch für ihn fest, dass die Abschaffung vom Notensystem in dem jetzigen Schulsystem absolut keinen Sinn machen würde. Deshalb brauche es unbedingt ein fundamental umstrukturiertes Schulmodell, welches Schüler*innen einen solch interessanten Input liefert und intrinsisch motivierende Bedingungen schafft, dass sie den extrinsischen Antrieb von Prüfungen gar nicht mehr brauchen.

Wie aber stellt sich Precht ein optimales Schulsystem vor? Diese Frage werde ich leider nur grob beantworten, denn seine Gedanken dazu sind weitaus komplexer und betreffen viel mehr Aspekte und Zusammenhänge als ich jetzt hier erklären kann. Grundsätzlich fordert Precht ein Schulsystem, das nicht mehr in Fächer gegliedert ist, sondern als Basis aus interaktiven, komplexen und vor allem fächerübergreifenden Projekte zu verschiedensten Themen besteht. Schließlich besteht ja auch das echte Leben nicht aus Fächer, sondern aus Wechselwirkungen und Zusammenhänge der „Fächer“, so Precht. Außerdem sollen Schüler*innen zwischen den Projekten frei wählen können. So wird intrinsische Motivation bestärkt und der Individualität jedes/jeder einzelnen Schülers/Schülerin Raum gegeben. Richard David Precht geht davon aus, dass jedes Kind von Grund auf wissbegierig und neugierig ist und lernen will, dass unser bestehendes Schulsystem diese Motivation eines/einer Heranwachsenden aber erstickt. Kurz zusammengefasst: Wenn man diese natürliche Neugierde eines Menschen nicht durch ein „falsches System“ erstickt, braucht es keine Noten. Zu seinen Vorstellungen gehören natürlich noch viel ausdifferenziertere und genauere Beschreibungen, etwa zum Matheunterricht, zur Ganztagsschule, zu Unterrichtseinheiten, Lehrkräfte und vielem mehr. Wer sich dafür interessiert: Precht hat sogar ein eigenes Buch mit dem Titel „Anna, die Schule und der liebe Gott“ verfasst.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass Rieck und Precht wohl gleichermaßen Heterogenität, Diversität und Individualismus in Schulen berücksichtigen wollen, dies aber auf extrem unterschiedlichen Wegen. Während Precht das ganze Schulsystem umkrempeln will versucht Rieck lediglich einen kleinen Teil in dem bereits festgefahrenen System zu verändern. Als ich das Wort festgefahren verwende kann man nun wahrscheinlich leicht auf meine eigene Meinung schließen. Auch ich denke, dass wir Schule grundsätzlich neu denken müssen um sie nachhaltig zu verbessern anstatt immer nur kleine Nuancen zu verändern und das Fundament bestehen zu lassen.

Wie sieht euer „perfektes“ Schulsystem aus?

 

Krieg der Stern*innen
Verfasserin: Feldkircher Lena

„Das Gendern ist kein natürlicher Sprachwandel, es ist ein ideologisch gefärbter Versuch, Menschen zu einer Sprache zu zwingen, die sie im Alltag nicht sprechen.“, so beschreibt Prof. Dr. Walter Krämer, Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, die Problematik des Genderns. „Sprachlich Umweltverschmutzung“ fällt als Begriff in Bezug auf die Thematik. Was im ersten Moment sehr hart, überspitzt und vor allem überholt klingt, ist jedoch noch immer die Meinung vieler Personen, Männer sind hierbei in der Überzahl. 

In einem Interview beschreibt „ZDF heute“ Moderatorin Petra Gerster ihre Erlebnisse, nachdem sie angefangen hat in der Sendung bewusst zu gendern. Sie erzählt, dass sie nach ihrer ersten Sendung über 60 Beschwerdeschreiben bekommen hat, die meisten von älteren Männern. Hier stellt sich für mich immer wieder die Frage, wieso sich gerade die nicht Betroffenen am meisten angegriffen fühlen. Aber am meisten beschäftigt mich die Frage, wieso nicht schon längst Akzeptanz gegenüber dem Thema herrscht. Gendern ist da, und es hat nicht vor, zu gehen. Es ist 2021, Texte mit ausschließlich dem generischen Maskulinum sind quasi non existent, an vereinzelten Universitäten werden Arbeiten ohne korrektem Gendern schlechter benotet und wie oben beschrieben, sogar in gesprochenen Formaten wie Nachrichtensendungen im Fernsehen wird gegendert. 

Armin Wolf, Journalist und Moderator der „Zeit im Bild“ setzte sich auch vor Kurzem in seinem Blog mit dem Gendern auseinander. Dort beschreibt er, dass es oft schwierig sei, in Wort zu gendern, was ihn aber nicht von seiner Mission abbringt, es so gut wie möglich zu versuchen. 

Die absolute Allroundlösung gibt es leider noch nicht. Im Schriftlichen ist es zwar leichter zu gendern, jedoch gibt es noch keinen einheitlichen Kanon. Man hat die Wahl zwischen Sternchen, dem Binnen-I, Doppelpunkt, Mittelpunkt, die Liste ist lang. Im Gesprochenen versuchen sich immer wieder Einzelne an neuen Ideen, so zum Beispiel der der Sprachforscher Thomas Kronschläger. Er forscht seit Jahren zu einer ganz besonderen Form der genderneutralen Sprache, genannt „Entgendern nach Phettberg“. Namensgeber hierbei ist der Journalist Hermes Phettberg, der regelmäßig Kolumnen für den „Falter“ verfasst. Dort nennt er seine Audienz nicht „Leser*innen“, sondern „Lesys“, also statt einer männlichen und weiblichen Form wird eine neutrale Form genutzt, indem ein y am Wortstamm drangehängt wird. Auch hierbei hagelt es Kritik, einige meiner Meinung nach berechtigt, da das Entgendern zu niedlich klingt. Aber laut Kronschläger ist das einfach nur Gewöhnungssache.

Man bleibt also gespannt, wie sich die Sprache weiterhin entwickeln wird. Ich für meinen Teil begrüße stets Veränderung und bin gerne Teil interessanter, neuen Entwicklungen. Egal ob nun neben „Gästin“ auch „Gasty“ im Duden zu finden ist oder ob sich noch etwas komplett Neues etabliert. 

 

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Unmotivierte Schüler, schlechte Testergebnisse und Unzufriedenheit mit den eigenen Unterrichtsplanungen. Dies sind nur einige von vielen negativen Ergebnissen einer fehlenden Selbstreflexion einer Lehrperson. Aber wieso genau ist der Prozess der Reflexion so wichtig für Lehrpersonen?

Selbstreflexion beschreibt den Vorgang des Analysierens und Nachdenkens über die eigene Person. Hierbei beschäftigt man sich vor allem mit dem eigenen Handeln, Denken und Fühlen. Man hinterfragt bereits getroffene Entscheidungen und deren Folgen. All das mit dem Ziel sich selbst besser kennenzulernen. Folglich resultiert regelmäßiges aktives Feedback in Selbstregulation und dem Übernehmen von Eigenverantwortung in Bezug auf die eigenen Denk- und Handlungsmotive. All diese Fähigkeiten helfen der Lehrperson dabei mit pädagogischen Konflikten und Interaktionen besser umgehen zu können. Außerdem hilft das Nachdenken über die eigene Person und die inneren Abläufe dabei sich neue Kompetenzen anzueignen, welche für den Schulalltag erforderlich sind. (Organisation, Toleranz, Vorbereitung, Innovativität, etc.)

Wie schon zuvor erwähnt hilft Selbstreflexion einer Lehrperson dabei, mit verschiedenen Situationen im Schulalltag umzugehen. Unter anderem ist sie auch förderlich bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung. Durch das aktive Nachdenken über die eignen Handlungsmotive und deren Ergebnisse kann eine Lehrperson zu dem Schluss kommen, dass eine Änderung der Lehrmethoden erforderlich ist, um die gewünschten Leistungen der Schüler*inne zu erzielen. Außerdem erleichtert es der Lehrperson sich wiederholende Konfliktmuster zu identifizieren und sie zu vermeiden, was weiterführend zu einem besseren Klassenklima und einem angenehmeren Lernumfeld führt. Vor allem in Stresssituationen ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion entscheidend. Stress verleitet viele Lehrperson dazu in alte Verhaltensmuster zu fallen und schnell wird aus einem methodisch abwechslungsreichen und motivierenden Unterricht ein Lehrervortrag. Um dieser Minderung der Unterrichtsqualität entgegenzuwirken sollte Selbstreflexion zu einer Priorität im Leben einer jeden Lehrperson werden.

 

 

Mögliche Diskussionsfragen:

  • Sollte ein Leitfaden zur Selbstreflexion an Universitäten während der Lehrer*innenbildung unterrichtet werden?
  • Sollten Lehrer*innen ihr Wissen über Selbstreflexion an Schüler*innen weitergeben?

 

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Leitfragen:
Was ändert sich trotz vieler Veränderungen nie?
Wie bleibt das System im Rahmen der Veränderung trotzdem gleich?
Was bedeutet das für mich als angehende Lehrerin?

Das österreichische Schulwesen nahm seinen Anfang mit der Schulreform von 1774 unter Maria Theresia. Seitdem gab es eine öffentliche Staatsschule und eine sechsjährige Schulpflicht. Schule war nun Staatsangelegenheit und lag nicht mehr ausschließlich in den Händen der Kirche. Gemäß der „Allgemeinen Schulordnung“ von Felbiger wurden drei Arten von Elementarschulen eingerichtet: die Normalschulen, die Hauptschulen oder auch Bürgerschulen, welche es in größeren Städten gab, sowie die Trivialschulen, die man in kleineren Orten fand. Seitdem befand sich das System Schule in einem stetigen Prozess, der nicht immer ohne Protest voranschritt. Besonders im bäuerlichen Milieu betrachtete man den Unterricht oft als unnötig und zu ausführlich. Obwohl der Wille nach Bildung da war, stand der Schulpflicht auf praktischer Seite entgegen, dass die Kinder als Arbeitskräfte auf dem Feld fehlten. Auch der Einwand, dass all das gelehrte Wissen unnütz sei, um ein Feld bestellen zu können, stand sicherlich mehrfach im Raum. 1869 folgte das Reichsvolksschulgesetz. Das Pflichtschulwesen hatte damit eine einheitliche Basis und die Schulpflicht erhöhte sich von sechs auf acht Jahre. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlängerte man die Schulpflicht dann auf neun Jahre. Kreisky forderte 1970 Neuerungen. Stichworte waren u.a. die Gesamtschule, Ganztagsschule und die Akademisierung der gesamten LehrerInnenbildung.

Die Diskussion um eine Gesamtschule gibt es folglich schon sehr lange und ist keine Innovation unserer Zeit. Auch das ständige Hin und Her zwischen Reformgedanken und konservativem Bewusstsein für Traditionen bzw. dem Wunsch, dass gewisse Dinge sich nicht verändern, zieht sich durch die gesamte Entwicklung. Jeder Änderungswunsch ist auch abhängig von der gerade amtierenden Partei. Wie Maria Theresia schon sagte, ist Schule ein politicum.

Was heute also wie ein klar gezeichneter Weg scheint, war ein langer und auch durchwachsener Prozess. Seit seinen Anfängen hat das Schulwesen in Österreich etliche Veränderungen durchlebt. Die Einführung der Neuen Mittelschule, welche die Hauptschulen ablöste, begann beispielsweise im Jahr 2009. Abgeschlossen war dieser Prozess aber erst 2017/18.

Obwohl sich also viel verändert hat, bleibt doch gleich, dass keine Idee von heute auf morgen verwirklicht werden kann, dass alles, was neu ist zunächst vielerorts mit kritischem Blick begutachtet wird und dass Ideen, auch wenn sie immer wieder aufgeworfen werden, trotzdem nicht sofort einen geeigneten Nährboden finden müssen.

Ein Blick in die Vergangenheit ist stets wichtig, weil er hilft die Gegenwart besser zu verstehen. Maja Göpel schrieb in der Publikation Mensch und Verhalten, dass Theorie Praxis macht. So ist es wohl auch mit der Schule.

Unser Blick auf die Theorie der Schulbildung, also darauf, wie wir die Jugend bilden und damit auch erziehen, prägt die ganze Gesellschaft. Daher stellt sich die Frage, ob eine fixierte Theorie immer der beste Lösungsweg ist. Besonders anschaulich wird das, wenn man sich die aktuellen Bedingungen unter der Corona-Pandemie ansieht. Der normale Schulalltag hat sich massiv verändert. Virtuelles lernen und Online-Unterricht sind an der Tagesordnung. Einer Lehrperson stellen sich nun ganz neue  Fragen. Wie motiviert man seine SchülerInnen aus der Entfernung sich weiterhin für das Lernen zu begeistern und eigenständig zu arbeiten? Gibt es Möglichkeiten gemeinsames Arbeiten interessant zu gestalten, obwohl Distanz das vorherrschende Motto ist? Und vor Allem, was für einen Einfluss wird die immer stärker zunehmende Digitalisierung auf unser Schulwesen noch haben?

Für mich als angehende Lehrerin ist durch den Blick auf die Vergangenheit vor allem klar geworden, dass Veränderungen nicht immer gleich akzeptiert werden, der Wunsch nach Neuerung und Verbesserung aber schon immer da war und nie vergehen wird. Der Blick auf die Gegenwart zeigt deutlich, dass man sich darauf einstellen muss, anpassungsfähig zu sein und umdenken zu können und dass auch der Blick in die Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Bildungswesens ist. Wenn sich meine SchülerInnen stetig weiterentwickeln, muss auch ich als Lehrperson bereit sein mich weiterzubilden, das aktuelle System kritisch zu hinterfragen und herauszufinden, ob es noch zeitgemäß ist und die Bedürfnisse meiner Klasse erfüllt.

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Privilegien während Corona?!
Widerspruch oder doch untrennbar miteinander verbunden?
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Corona ist seit mittlerweile einem ganzen Jahr das vorherrschende Thema – nicht nur in Österreich, sondern fast weltweit. Es hat uns allen Seiten aufgezeigt, die wir sonst nie und nimmer geglaubt hätten, dass sie existieren. Von heute auf morgen drehte sich die Welt anders als sonst und wir mussten auf vieles, das uns liebgeworden ist und als selbstverständlich galt, plötzlich verzichten. Niemand wusste, was genau auf uns zukommt und noch zukommen wird. Wir sitzen seit Corona also alle wahrlich im selben Boot. Anfangs wuchs die Menschlichkeit und Nächstenliebe innerhalb unseres Landes, doch dies sollte nur von kurzer Dauer sein. Doch schnell wurde ein Gegeneinander und eine Distanz allen und jeden gegenüber daraus. Menschen, die schon vor Corona am Abgrund der Gesellschaft standen, waren nun noch in weitere Ferne gerückt inklusive aller ihrer Bedürfnisse, Rechte etc. Die wenigsten scherte es, wie es den Obdachlosen im Lockdown ging, wie hart deren sowieso schon tagtäglicher Überlebenskampf ist oder wie diese Personen durch diese schwierige Zeit kommen. Anstatt froh zu sein, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und genug zu essen, wurde die Stimme im Kopf laut, die sagt, wie klein unsere Wohnung doch ist oder wie sinnlos das Leben ohne Spaß und Vergnügen in der Freizeit ist. Wie schlimm wir es doch erwischt haben, immer nur Zuhause sein zu müssen und nicht tun und lassen zu können, was und wann immer wir das möchten. Ob Flüchtlinge in Moria fast verhungern oder kein sauberes Wasser haben, rückte noch mehr in den Hintergrund, denn die einzig entscheidende Frage, die sich stellte, war wie so oft: „Hauptsache mir selber geht es gut, ich muss auf mich selber und meine Familie achten. Ich kann nicht auch noch auf Andere Rücksicht nehmen. Wie soll das auch noch gehen? Wir haben gerade alle genug eigene Probleme, sollen sich doch andere um die Flüchtlinge kümmern!“ Egoismus pur, der leider durch Corona noch verstärkt wurde und die Politik tat ihr übriges, auch kein schlechtes Gewissen aufkommen zu lassen. Doch gerade diese Krise sollte uns alle endlich mehr zusammenschweißen und uns endlich mehr füreinander einstehen lassen und vieles, das bis hierhin normal erschien, zu hinterfragen und endlich Handlungen zu setzen. Warum sind weiße Menschen privilegiert und Dunkelhäutige nicht? Wieso gibt es so viel Leid auf dieser Welt, obwohl es für alle genug zu trinken und essen gäbe? Wieso ist Bildung nicht für jeden zugänglich? Warum haben die, die schon alles haben, nie genug? Warum gibt es immer noch so viel Ungleichheit auf der Welt? Wäre es nicht viel schöner, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und unsere Lebenszeit nutzen, um anderen zu helfen und dadurch so viel für uns selbst zurückbekommen? Es wäre dann viel ruhiger auf der Welt und man hätte weniger Angst vor Situationen, die man nicht beeinflussen kann und die unerwartet das Leben auf den Kopf stellen. Es könnte so schön sein – doch das ist es leider nicht….

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Als eine von vier Mädchen habe ich mich mit elf Jahren im Werkunterricht unter zwanzig Burschen zunächst falsch am Platz gefühlt. In der Schule konnten wir es uns damals aussuchen, ob wir textiles oder technisches Werken besuchen wollten und da mein Opa zu Hause eine große Werkstatt hatte, wollte ich natürlich lernen, wie ich ihm beim Holz Verarbeiten helfen kann. Die restlichen Mädchen in meiner Klasse hatten sich allerdings für textiles Werken entschieden, denn „Technisches Werken ist doch was für Burschen!“ – nicht nur von Mitschüler*innen, sondern auch von Lehrkräften habe ich dies mehrmals zu hören bekommen.

Aber woher kommt das? Warum sind Geschlechtsstereotype in unserer westlichen und, ich möchte doch behaupten, relativ aufgeklärten Gesellschaft immer noch so präsent? Um diese Fragen zu klären, muss zunächst deutlich gemacht werden, was mit Geschlechtsstereotype im Allgemeinen gemeint ist und wie diese überhaupt entstehen. In ihrem Werk „Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität im Alltag und Unterricht“ (2020) schreibt Prof. Dr. Hilke Elsen dazu folgendes:

Geschlechtsstereotype setzen sich aus Informationen zu Person, Aussehen, Kleidung, Verhalten und Interessen (Freizeit, Spiele), Charakterzügen, Beruf, Namen und sprachlichem Verhalten zusammen. Sie werden in einem komplexen Netzwerk miteinander assoziiert und im Laufe des Lebens unterschiedlich gewichtet. […] Die Kinder nehmen andere in ihrem Verhalten und Aussehen wahr und erhalten Reaktionen auf eigenes Aussehen und Verhalten: Je mehr Frauen mit langen Haaren und Kleidern auftreten, desto stärker wird die Korrelation für das Konzept ‚Frau‘. Je häufiger und stärker ein Junge reglementiert wird, wenn er einmal einen Rock anziehen möchte, desto stärker wird die Korrelation ,Mann‘ – ‚kein Rock. (S.109)

Geschlechtsstereotype sind also kulturabhängig und werden großteils erlernt. Allseits bekannte Auffassungen wie etwa „Mädchen sind sprachbegabter als Burschen, dafür sind diese handwerklich geschickter“ werden in der Regel aber auch nicht hinterfragt, sondern blindlinks angenommen und weitervermittelt. Aber steckt man die Schüler*innen somit nicht direkt in eine Schublade? Meiner Meinung nach ist dies sehr wohl der Fall. Auch Elsen (2020, S. 110) findet, dass obwohl vermutet wird, dass Kinder (bedingt durch Hormone und Gehirnstruktur) bis zu einem gewissen Grad ein vorgefertigtes, geschlechtsspezifisches Denken haben, das „soziale Umfeld“ eine wesentliche Rolle spielt. Sie meint: „[…] das soziale Umfeld lenkt von Anfang an das Augenmerk auf entsprechende Sollvorgaben. Kinder lernen in der Familie im Alter von wenigen Monaten, was von ihnen erwartet wird.“ (Elsen, 2020, S.110)

Also bereits vom Elternhaus aus werden häufig geschlechtsstereotypische Werte vermittelt. Elsen (2020, S. 110) führt hierbei das Spielen mit Puppen an, welches stereotypisch Mädchen zugeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel dafür sind sogenannte „Baby showers“, also Partys auf denen werdende Eltern das Geschlecht ihres Babys bekannt geben. Diese sind momentan stark im Trend und ein hervorragendes Beispiel, wie Kinder bereits vor ihrer Geburt an geschlechtsspezifische Vorurteile gebunden werden. Um das jeweilige Geschlecht bekannt zu geben, werden nämlich meist die Farben rosa und blau verwendet, wobei rosa für ein Mädchen und blau für einen Jungen steht. Diese zwei Farben sind in unserer Gesellschaft heutzutage, aufgrund der starken Konnotation, quasi ein Symbol für die zwei traditionellen Geschlechter geworden. Selbst in Schulbüchern finden sich, neben anderen geschlechtsstereotypischen Äußerungen, Beispielen und Abbildungen, immer wieder diese zwei Farben als Kennzeichnung für die Geschlechter Frau und Mann. Dass ein Junge aber beispielsweise rosa lieber mögen kann als blau, scheint dabei egal zu sein. Aus Erfahrung kann ich leider sagen, dass so ein Junge in der Schule dafür vermutlich schräg angeschaut oder womöglich sogar dafür gemobbt würde. Der Grund dafür wäre einzig und allein, dass er nicht der Geschlechtsstereotype entspricht.

In der Schule ist hinsichtlich des Themas also offensichtlich noch reichlich Aufklärungsbedarf und Veränderung nötig. Die Personen, welche in diesem Bereich (neben den Eltern und Kindergartenpädagog*innen) viel Einfluss haben und folglich auch etwas bewirken können sind die Lehrkräfte. Aufgrund dessen ist es ausschlaggebend, dass im Unterricht diese Geschlechtsstereotype direkt angesprochen und auch besprochen werden. Zudem sehe ich es als Lehrauftrag einer jeden Lehrperson, die im Unterricht verwendete Sprache dahingehend anzupassen, dass Geschlechtsstereotype (zumindest weitgehend) vermieden werden. „Denn Kinder nehmen Stereotype anders wahr als Erwachsene, sie können die Verallgemeinerungen und Verzerrungen noch nicht erkennen und binden die Stereotype aktiv in ihre Wirklichkeitskonstruktionen ein. Sie konstruieren Geschlecht anhand der Geschlechtsstereotype und Verhaltenstypisierungen.“ (Elsen, 2020, S. 110) Was die Kinder also im Schulalltag an Geschlechtsstereotypen hören und lernen, nehmen sie in der Regel ohne weiteres Hinterfragen auf und halten es für wahr. Auch Studien (Hilliard und Liben, 2010 und Liben, 2001) an Volksschulkindern haben gezeigt, dass dies der Fall ist. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen, haben die Kinder der Versuchsgruppen ein stark verändertes, geschlechtsstereotypes Verhalten aufgewiesen, nachdem diese einige Wochen lang im Unterricht mit Geschlechtsstereotypen konfrontiert wurden. (Elsen, 2020, S. 110)

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Geschlechtsstereotype leider immer noch der Regel angehören. Im Alltag zu Hause und auch im Schullalltag ist dies der Fall und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder dabei keine Chance haben, objektiv zu bleiben da sie nicht erkennen können, dass Geschlechtsstereotype bloß Vorurteile sind und nicht der Realität entsprechen. Es ist daher also der Auftrag der Eltern und vor allem auch der Pädagogen im Bildungsbereich, dieses Thema aktiv anzugehen, die Schüler*innen aufzuklären und mit ihnen darüber zu diskutieren. Denn um nochmals auf die anfängliche Frage, weshalb Geschlechtsstereotype in unserer heutigen Gesellschaft immer noch so präsent sind, zurückzukommen: es liegt an unserer Gesellschaft selbst. Trotzdem wir relativ aufgeklärt sind in unserem westlichen Lebensstil, gibt es immer noch verankerte Annahmen und Prinzipien, die zwar längst überholt sind, jedoch weitervermittelt und praktiziert werden. Aber wollen wir den jüngeren Generationen nicht doch lieber zeigen, dass ihnen die Welt offen steht? Dass sie die Farben mögen können, die sie wollen, dass sie den Beruf ausüben können, den sie wollen und dass sie sein können, wie und wer sie wollen – alles, ohne dabei aufgrund veralteter Geschlechtsstereotype verurteilt, sondern im Gegenteil, in ihren Vorhaben bekräftigt zu werden?

 

Bibliographie:

Elsen, H. (2020). Gender-Sprache-Stereotype: Geschlechtersensibilität in Alltag und Unterricht. Tübingen: utb GmbH.

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Mit der Schulreform von 1774 wurde unter Maria Theresia die Schulpflicht von 6 bis 13 Jahren eingeführt. Damit wurde der Grundstein gelegt für das staatliche Schulwesen in Österreich. Nach Josef II. in der Zeit der Reaktion nach dem Wiener Kongress kam es zu keinen nennenswerten Reformen.

Im 19. Jahrhundert wurde das Gymnasium neu organisiert, die Lehrer*innenausbildung weiterentwickelt und spezialisiert und die Grundbildung gesichert. Nach der Zäsur des Ersten Weltkriegs und den darauffolgenden gesellschaftspolitischen Umwälzungen vertrat Reformpolitiker Otto Glöckel die Idee der Gesamtschule. Jedoch fand er keinen Zuspruch in der Gesellschaft, es gab viel Widerstand gegen das Konzept Gesamtschule. Dies sollte sich als bildungspolitische Tendenz erweisen für die österreichische Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert.

Nach einem mühsamen und langen Weg entstand 1962 ein neues Schulorganisationsgesetz, das zwischen ÖVP und SPÖ ausgehandelt wurde. Aus späterer Sicht sicherte dies jedoch eher den Jetzt-Zustand und war kein Wegbereiter für weiter Reformen.

In den 70er-Jahren unter Kreisky sah dies anders aus. Gekennzeichnet durch eine hohe Reformbereitschaft wurden Schritte gesetzt, die eine Gesamt- und Ganztagsschule hervorzuheben versuchten. Stattdessen manifestierte sich eine Trennung in AHS und Hauptschule mit Leistungsgruppen. Die Gesamtschule scheiterte nämlich am Widerstand der konservativen Fraktion.

Wirft man einen Blick ins 21. Jahrhundert, fällt auf, dass eine frühe Selektion immer noch durchs Schulsystem perpetuiert wird. Während die Hauptschulen – oder die Mittelschulen, oder die Neuen Mittelschulen – zwar am Papier Veränderungen durchlaufen, bleibt die Grundidee dieselbe. Die versuchte Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür passierte nicht, auch und vor allem aufgrund von politischem Widerstand.

Betrachtet man nun diese Entwicklung in Österreich, erkennt man ein Festhalten an Kontinuität und ein Ablehnen von tatsächlicher Reform im Bezug aufs Schulsystem. Die Teilung in unterschiedliche Schularten ist stark gebunden an aktuelle politische Präferenzen. Während diese Trennung in AHS und (N)MS zwar Vorteile in sich trägt, werden die Nachteile nach wie vor ignoriert. Brennpunktschulen, fast immer Hauptschulen, werden Sammelstelle für Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch schwächeren Schichten. Aufstiegschancen für solche Schüler*innen werden viel zu oft aufgrund ihrer Schulbildung vereitelt. Durch die frühe Selektion der Lernenden wird in gewisser Hinsicht auch gegen Diversität gearbeitet; so entstehen Vorurteile gegenüber der jeweils anderen Gruppe und zwischen den Schüler*innen entsteht kein Diskurs. Die Gesamtschul-Diskussion ist öffentlich verstummt.

Während also die diversen Schulreformen – beginnend im 18. Jahrhundert – als Reaktion der realpolitischen Begebenheiten ihrer Zeit passierten, befinden wir uns in der heutigen Schulsystemdebatte an einem Nullpunkt. Andere europäische Länder, unter anderem als Reaktion auf schlechte PISA-Ergebnisse, brachten langfristige bildungspolitische Änderungen hervor mit positiven Nachwirkungen. In Österreich scheint man allerdings zu beschäftigt zu sein mit den Um- und Neubenennung der Hauptschulen, um auf bildungswissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen und das Schulsystem zu reflektieren.

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In der Soziologie wird die Institution Schule als eine Einrichtung betrachtet, die zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt. Die Bildungsinstitutionen übernehmen schulische Sozialisationsprozesse, welche zu einer generationsbedingten Reproduktion der Gesellschaft führen.

Schule fördert nicht nur Eigenschaften, sondern auch Fähigkeiten die gesellschaftlich anerkannt sind. “Somit kommt der Schule als Institution, die Funktion der Normierung zu und der wirtschaftliche Aspekt steht im Mittelpunkt. Die Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für die konkrete Arbeit erforderlich sind, wird als Qualifizierungsfunktion bezeichnet.” (Auer, 2015, S. 55). Diese Funktion des Bildungssystems ist für das Berufs- und Beschäftigungssystem notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben (vgl. Auer, 2015, S. 53-54).

Die Allokationsfunktion und Selektionsfunktion

Allokationsfunktion und Selektionsfunktion, beide dieser Funktionen beziehen sich auf die Sozialstruktur der Gesellschaft. Vor allem das Bildungssystem trägt dazu bei, junge Menschen auf die berufliche Tätigkeit vorzubereiten. Die berufliche Position ist sehr entscheidend, denn die soziale Position eines Individuums in der Gesellschaft hängt stark von dieser ab. Das Bildungssystem führt Personen je nach der jeweiligen Qualifizierung zu niedrigen oder hohen beruflichen Positionen. Die berufliche Position wiederum wird durch unterschiedliche Schulabschlüsse bestimmt und führt letztendlich zu Macht und Prestige, und damit verbundenen Lebenschancen. Obwohl grundsätzlich verschiedene Bildungswege offenstehen, können Kinder aus unteren sozialen Schichten schwer zu höherer Bildung gelangen (vgl. Auer, 2015, S. 55-56)!

Integrations- und Legitimationsfunktion

Das Schulsystem macht gesellschaftliche Integration möglich. In der Schule werden gezielte Werte, Normen und Weltsichten vermittelt, die zur Stabilisierung des politischen Systems dienen. 

Das Bildungssystem trägt auch einen großen Beitrag zur Friedenssicherung und zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Schüler und Schülerinnen sollen das Gefühl haben ein wichtiger Teil der Gesellschaft zu sein und sich auch für das Gemeinwohl verantwortlich zu fühlen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Schule soziale Integration möglich macht.

Eine weitere Funktion des Bildungssystems ist das Verstehen und die Zustimmung des politischen Regelsystems. Schüler und Schülerinnen lernen die Regelungen des Schulsystem und akzeptieren sie. Dadurch werden diese Regelungen als legitim anerkannt und das gesamte System wird gestärkt und verstanden (vgl. Auer, 2015, S. 56).

Meritokratie als schulische Leitkultur

„Meritokratie lat.: meritum, das Verdienst; griech.: kratein, für herrschen“ (Becker & Hadjar, 2009, zitiert nach Auer, 2015, S.57)  beschreibt eine Herrschaftsordnung einer Gesellschaft, in der eine Zuordnung zu einem gesellschaftlichen Status, und die damit verbundenen Vorzüge oder Nachteile, sich nach den Verdiensten der Person richten.

Das Bildungssystem ist ein solches System indem „Ungleichheit [als] funktionalistische Notwendigkeit moderner Gesellschaften“ gesehen wird. Dabei werden durch das meritokratische Leitmotiv, das besser bekannt ist als “Meritokratische Triade” (Becker & Hadjar, 2009, zitiert nach Auer, 2015, S. 58), legitime und illegitime Einflüsse genannt, die diese Ungleichheit verdeutlichen. Es besagt, dass man je nach Ausbildungsgrad eine entsprechende berufliche Stellung und somit auch verschiedene Einkommensklassen rechtfertigt. Jedoch ist dabei wichtig, dass weder die soziale Herkunft noch das Geschlecht, ein legitimer Einfluss für die soziale Ungleichheiten sind. 

Meritokratische Legitimationsprinzip

Die natürliche Fundierung sozialer Ungleichheit begründet Bildungsunterschiede als Resultat von Intelligenz- und Begabungsunterschieden. Außerdem wird versucht den Anteil der Faktoren biologischer und sozialer Voraussetzungen zu eruieren, die sie hervorrufen können. Das Schulsystem kann die individuelle genetische Ausstattung nicht vollends ausgleichen. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Intelligenz und Leistungskategorien soziale Konstrukte sind und zukünftig durchaus andere Denkansätze entstehen könnten.

Die Darstellung von Ungleichheit in österreichischen Schulen, die mit der Hierarchisierung der Berufspositionen und der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Anerkennung im Einklang steht, wird als notwendig erachtet. Außerdem wird die Ungleichheit partikularistisch definiert, sodass Ungleichheit als individuelles Problem bestimmt werden kann. Außerdem sind organisierte Bildungsprozesse nötig, um Kompetenzen zur Verfügung zu stellen und diese mit Zertifikaten zu vermitteln, die als Qualifikationsnachweis gelten. Vor allem die persönliche Leistung steht bei Lehrern*Innen für die Leistungsbeurteilung im Vordergrund (vgl. Auer, 2015, S. 59-62).

Literaturverweis

Auer, A. (2015). Selektionsmechanismen im österreichischen Bildungssystem : zur Durchlässigkeit beim Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe I. JKU, Linz, 52-63. 

Christina Grill, Lea Sali, Anica Keskic

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Die dicke Schicht der Vorurteile, die jeder kennt, aber nicht anerkennen will.

Jeder kennt unausgesprochenen Vorurteile, welche sich in unserer Gesellschaft verfestigt haben. Sei es, dass Arbeitslose einen geringeren Stellenwert in der Gesellschaft haben oder auch, dass Schulabbrecher und SchülerInnen die danach eine Lehre machen, trotzdem von oben belächelt werden. Mit genau dieser Thematik beschäftigt sich Anna Mayr in ihrem Buch „Die Elenden“.

Zunächst beschreibt Mayr eine Situation, die den meisten Menschen womöglich gut vertraut ist. Sie unterhält sich mit einem Arbeitskollegen über ihre Kindheit bzw. über den Ort, in dem sie aufgewachsen ist. Da dieses Viertel als besonders zwielichtig gilt, hat ihr Kollege sogleich damit begonnen sich über die Menschen die dort Leben lustig zu machen, bzw. ging er sofort davon aus, dass Frau Mayr auf der guten Seite mit den Einfamilienhäusern gewohnt habe und nicht auf der Seite der Plattenbauten, die für Feldversuche von SoziologiestudentInnen genutzt wurden. Mayr beschreibt solch ein Verhalten als empörend, da sie sich einerseits zu den Menschen der Plattenbauten, die praktisch ihre Nachbarn waren, aber auch andererseits mit ihrem Kollegen, mit dem sie täglich zusammenarbeitet, zugehörig fühlt.

Ebenso erging es ihr bei der Frage „Warum ihre Eltern arbeitslos seien?“. Mayr erklärt daraufhin, dass ein Leben nun mal nicht vollständig planbar ist. Denn wäre es möglich ein Leben vollständig zu planen, so würde man zu Beginn seiner Reise einen Fragebogen bekommen, bei dem man ankreuzen kann, was man später einmal werden will. Daraufhin bekommt man eine Karte in die Hand gedrückt, auf der genau erklärt wird, wann man wo abzubiegen hat, um seinen Traum zu erreichen. Nur leider ist es nicht so einfach und es hilft auch nicht das System als Sündenbock darzustellen, denn sobald mehrere Menschen eine Gruppe bilden, wird jedes Individuum instinktiv eine Rolle im Gesamtgefüge einnehmen. Daraus schließt Mayr, dass es keine freien Entscheidung oder eigene Wege zu gehen gibt.

Ein anderer Kollege macht sich kurz vor den Landtagswahlen, über die dummen, ungebildeten und faulen NichtwählerInnen lustig. Für ihn ist es unverständlich nicht wählen zu gehen, da wir in einer Demokratie leben und man dadurch seine Stimme verfallen lässt. Allerdings ist dies nur eine Ansichtsweise, denn es gibt genug Gründe nicht wählen zu gehen und außerdem sind NichtwählerInnen noch lange nicht dumm oder faul, nur weil sie nicht wählen gehen. Mayr hat sich durch diese Aussage ebenfalls provoziert gefühlt, einerseits da ihr Eltern gute Gründe hatten, nicht an dieser Wahl teilzunehmen und andererseits da ihr schon von klein auf eingetrichtert wurde gegen Pauschalisierungen vorzugehen. Deswegen verfasste sie einen Text für eine Zeitschrift, in der sie ihre Gründe und Ansichten über Nichtwähler preisgibt und damit versuchte ein Vorurteil aufzuheben. Allerdings gelang ihr das nicht so ganz. Durch ihren Text hat sie sich praktisch den Menschen unterworfen, die einen Beweis brauchen damit sie anerkennen, dass deren Vorurteile falsch sind.

All diese Vorurteile basieren auf Gesellschaftlichen Rollen beziehungsweise der Herkunft eines einzelnen. Wer in einer reichen Gegend geboren und aufgewachsen ist und immer etwas Geld beiseite hat, wird wohl bei einem Fehlschlag nicht so tief fallen, wie jemand der in einem eher armen Viertel aufgewachsen ist und wenig Geld zur Verfügung hat. Man könnte meinen Geld regiert die Welt, aber nicht alles was man sich wünscht, kann mit Geld erkauft werden.

Ebenso gibt es Stereotypen über die man lieber nicht reden will. Wie zum Beispiel das Preisevergleichen im Supermarkt. Kauft man die billigsten Äpfel, um Geld zu sparen, oder doch die um ein paar Cent mehr, weil sie einem besser schmecken oder sogar die Äpfel, die mir zwar nicht schmecken aber dafür Bio sind. Es gibt in der Gesellschaft immer besser und schlechtere anerkannte Wahlmöglichkeiten. So werden Bioproduktkäufer stets in den Himmel gelobt, da sie ja auf die Herstellung des Produktes achtgeben und demnach gute Menschen seien müssen. Anders ist es bei den Billigproduktkäufern, welche nur die billigsten Produkte und auch nur die, die sie für ihr tägliches Leben brauchen, kaufen. Also sind das schlechte Menschen da sie auch Eier aus Käfighaltung kaufen würden, wenn diese nur billig genug sind. Doch die wahren Gründe will keiner erfragen. Warum kaufen diese Menschen nur billige Produkte? Vielleicht weil sie beim Einkauf von Lebensmittel sparen wollen/müssen und sich eher die Frage stellen „Was brauche ich Wirklich?“ und nicht „Was kann ich mir alles kaufen?“.

Chancengleichheit und Vorurteile sind mittlerweile fundamentale Grundbausteine für das soziale Zusammenleben untereinander. Über Jahrhunderte hinweg haben sich viele Vorurteile und Stereotypen gebildet und wie auch schon Mayr erklärte, liegt es an jedem einzelnen von uns diese Vorurteile abzulegen und Urteilsfrei voranzuschreiten. Somit gibt Mayr zwar einen Einblick in die Gründe warum Menschen unter diesem Vorurteilen leiden und erzeugt so bei den LeserInnen ein Verständnis der Probleme. Jedoch kennt auch sie keinen Lösungsweg bzw. keine universelle Lösung wie der/die LeserIn selbst seine/ihre Vorurteile ablegen kann.