Im Rahmen des Seminars haben wir das Kapitel „Abgrenzen, aber nicht abwerten“ aus dem Buch Wir. von J. Kohlenberger (2021) gelesen und dieses hat mich dazu veranlasst einen Beitrag zu schreiben.
In dem Buchabschnitt wird darauf eingegangen, dass Abgrenzen grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Im Gegenteil, dieses Abgrenzen ist für die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit und Identität sogar sehr wichtig: Durch das Feststellen, was ist „Ich“ und was ist „Fremd“ (zum Beispiel bezogen auf die Eltern oder eine andere Bezugsperson), kommt es zu einer persönlichen Entwicklung. Problematisch wird das erst, wenn das Abgrenzen zu einer Abwertung der abgegrenzten Personen führt, man spricht von Othering. Es werden hier einige Beispiele genannt, so etwa das Unterscheiden in Mann und Frau mit einer negativen Konsequenz für Frauen oder die „andere Sexualität“, die Homosexualität oder auch auf Religion bezogen, die „bildungsfernen Muslim*innen“. Merkmale, die dabei oft herangezogen werden, sind beispielsweise die Ethnizität, die Herkunft, Religion, Sprache oder Nationalität.
Spannend finde ich hier, wie sehr dieses abwertende Ausgrenzen durch sprachliche Eigenheiten gefördert wird. Ausdrücke, die Personen dehumanisieren, führen zu einer weiteren negativen Entwicklung dieser Ausgrenzung, man spricht von Flüchtlingswellen, nicht von Personen, die verfolgt werden oder vor Krieg fliehen. Auch die Medien tragen hier weiter dazu bei. In Berichterstattungen werden Begriffe immer weiter ausgeschmückt: Dinge personifiziert und Menschen dehumanisiert ohne dass das der Gesellschaft negativ auffällt, weil es ja sowieso Gang und Gebe ist. Um hier ein Beispiel aus dem aktuellen Corona-Kontext zu nennen: Corona wird beispielsweise als „böse“ bezeichnet, während Impfgegner sich von Impfbefürwortern abgrenzen und immer wieder Worte fallen wie „die Massen“, „die Flut an Skeptikern“, etc., wobei teilweise von beiden Seiten eine Abwertung stattfindet.
Und nicht nur Medien schüren diese (teils sicher unabsichtliche) abwertende Abgrenzung, sondern auch in persönlichen Gesprächen kommt das vor. Je hitziger eine Debatte stattfindet, desto eher tendieren Menschen dazu, verallgemeinernde Aussagen zu treffen und desto häufiger kommt es auch zu Ausgrenzungen. Um auch hier wieder auf Corona zurückzukommen: Selbst „gebildete“ Menschen (hier bereits eine erste Abgrenzung mit negativen Konnotationen der abgegrenzten „ungebildeten“ Gruppe) grenzen sich gerne und häufig von Impfgegnern ab. Es wird eine klare Linie gezogen, „ich bin nicht so, diese Impfgegner sind nicht informiert genug und reden Unsinn“. Natürlich ist hier hinzuzufügen, dass es bezüglich der Coronadiskussion nicht nur um Meinungen geht, sondern auch aktiv die Gesundheit betroffen ist und es zu einer Verbreitung von „Fake News“ gekommen ist und daher manche Aussagen von Grund aus als faktisch falsch bezeichnet werden können. Trotzdem nimmt die Abgrenzung doch sehr negative Ausmaße an, die in Beleidigungen und Einschränkungen ausarten kann.
Wenn jetzt aber von Ethnizität oder Herkunft gesprochen wird und es auch hier Abwertung gibt, um das Ich aufzuwerten, dann ist das viel gravierender als die Corona-Debatte, die es nun erst seit etwa zwei Jahren gibt und wahrscheinlich auch irgendwann wieder verschwinden oder zumindest abflauen wird. Migration, unterschiedliche Herkünfte und Sprache wird sich aber nicht verändern, das gibt es schon „immer“ und wird es auch weiterhin geben, solange der Mensch auf der Welt lebt. Diese negative Abgrenzung aufgrund eines oder mehrerer unveränderlicher Merkmale ist also sehr viel weitläufiger als eine Corona-Debatte. Sprachlich ist auch hier diese Abwertung vorzufinden: Häufig ist es Personen nicht einmal bewusst, wenn sie Dinge wie „Die/Der kann das sowieso nicht, in seinem/ihrem Herkunftsland macht man das nicht“, „ich habe mehr gelernt als du, du bist „nur“ aus Land xyz“ oder ähnliches sagen. Diese Aussagen werden beinahe von der Gesellschaft an den einzelnen weitergegeben; wenn die breite Bevölkerungsmehrheit so etwas sagt, verwandelt sich ein Satz schnell in eine vermeintliche Tatsache. Dann wird nicht mehr lang darüber nachgedacht, was diese Aussage eigentlich für Andeutungen mit sich führt und es kommt zu verdecktem Rassismus. Es handelt sich um diese Art unterschwelliger Aussagen oder abwehrenden Verhalten Personen gegenüber, die aus anderen Ländern eingewandert oder geflüchtet sind, vor allem wenn es sich bei diesen Ländern um jene handelt, die in der Bevölkerung als unsicher und problematisch angesehen werden. Dabei wird nur auf negative Aspekte eingegangen und etwaige positive Eigenschaften vollkommen außer Acht gelassen. Man hört auch oft „ich bin nicht rassistisch“ und im gleichen Atemzug wird das weitergeführt mit „…aber, man muss schon sagen, dass…“ oder „…ich will nur sagen, dass…“, wobei es sich auch um eine Form des Rassismus handelt. Man spricht von Alltagsrassismus [„Rassismus(1) im alltäglichen Leben“ (Duden)], der (auch) aufgrund sprachlicher Eigenheiten und unüberlegter Aussagen entsteht, die durch vorhergehendes Nachdenken abgeschwächt oder – besser noch – eliminiert werden können.
Abwertende Abgrenzung findet unter anderem durch die Sprache statt, wird von der breiten Bevölkerungsmasse und den Medien getragen, kann bewusst aber auch unabsichtlich stattfinden, was durch überlegte Aussagen deutlich minimiert werden kann. Fazit also: Denken Wir nach, bevor Wir etwas sagen!
(verfasst von Elena Schüssling)
Literatur:
Kohlenberger, J. (2021). Abgrenzen, aber nicht abwerten. In: J. Kohlenberger. Wir. S. 57-69. Wien: Kremayr & Scheriau. ISBN: 978-3-218-01255-3.
Duden (2021). Rassismus. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus#Bedeutung-2