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Beschäftigt man sich etwas mit der Schulgeschichte Österreichs so fällt auf, dass in den letzten 100 Jahren nur in ganz kleinen Schritten Veränderung passierte, doch grundlegende Erneuerungen ausblieben. Was hielt und hält also die Weiterentwicklung des Schulsystems in Österreich so auf?

Bereits Johann Friedrich Herbart (1776-1841) kritisierte den Staat als Schulträger in seinen „Pädagogischen Briefen“ (1832) da dieser nur die Interessen verfolgt die Menschen in brauchbare Staatsbürger zu formen. Ebenso kritisierte er die Elitenbildung die durch Selektion erfolgt.  

Die Forderung einer „demokratisierten Schule“ die Bildungsprivilegien abschaffen sollte gab es seither immer wieder. Eine Einheitsschule, die die Gleichstellung, die Freiheit und die gleichen Rechte der Menschen betonen soll. Schule als „Abbild der natürlichen Gesellschaft“. Eine Selektion der Gesellschaft die immer noch durchgeführt wird. Eine Forderung die es bis jetzt immer noch gibt.

Interessant dabei zu sehen ist, dass Wissenschaft und Politik in zwei sehr unterschiedliche Richtungen dachten, immer noch denken, und auch voranschritten und -schreiten. Die Politik änderte im letzten Jahrhundert nur Kleinigkeiten, eher unwesentliches, aber nicht Grundlegendes.

Wissenschaftliche Erkenntnisse die immer wieder veröffentlicht und dargelegt wurden, blieben nur Feststellungen, die jedoch von der Politik nicht aufgegriffen und umgesetzt wurden. Denkweisen, die die Politik in der Zeit des Nationalsozialismus mit der Begründung von „ideologischen Differenzen“, sogar verbot. Dies betraf unter anderem die Forderung, dass empirisch-wissenschaftlich erschließbare Bedürfnisse sich dem Kind anpassen müssten. Die Schüler sollten durch intrinsische Motivation tätig werden, kritisch denken und sich frei ausdrücken lernen. Es wurde von Pädagogen und Psychologen als ein wesentlicher Schritt für die Charakter- und Persönlichkeitsbildung angesehen. Diese Selbsttätigkeit fand später auch eine zentrale Stellung in den österreichischen Lehrplänen.

Die „Einheitsschulbewegung“ (L. Lang, Die Einheitsschule, 1916) die die Gleichstellung und die Freiheit der Menschen betonen soll, die auch mit gleichen Rechten geboren wurden, blieb aus. L. Lang kritisierte in seinem Buch zudem, dass eine gemeinsame Volksschule vom 6.-11. Lebensjahr zu kurz ist um die besonderen Veranlagungen und „Eigenarten“ der Schüler erkennen zu können und fordert einen Ausbau der Volksschule bis zum Ende der Schulpflicht. Waldorf-Schulen und Montessori-Schulen, die wohl bekanntesten Schulmodelle in unserer Gegend, entwickelten sich in dieser Zeit. Alternative Schulformen die nach wie vor bestehen, aber auch umstritten sind.

Klar zu sehen ist also, dass von der Politik her scheinbar eine andere Intention ausgeht. Ein am „gemeinsamen Strang ziehen“ von der Politik mit Wissenschaftlern, Pädagogen und Psychologen wäre sehr wünschenswert. Schulversuche sollten vorangetrieben, über eine grundlegende Veränderung des Schulsystems sollte angedacht werden. Lernmethoden die motivieren, Überdenken der Notengebung, Inklusion statt Ausgrenzung, gleiche Rechte und Chancen auf Bildung und vieles mehr stehen berechtigt im Kritikpunkt.

Bildungsbenachteiligung bedeutet, dass Kinder und Erwachsene aus bestimmten sozialen Schichten weniger Möglichkeiten haben, im Bildungssystem ein Bildungsziel zu erreichen.

Die Statistik zeigt, dass eine Bildungsbenachteiligung existiert. Die große Frage ist jedoch, wie kann man diese effektiv zurückdrängen und wo muss genau angesetzt werden?

Durch die bildungspolitischen Umstellungen der letzten Jahre, der Separierung von Zuwandererkindern in Deutschklassen, oder auch das Wiedereinführen von Leistungsgruppen, tragen bestimmt nicht dazu bei, die Schere der Bildungsungleichheit etwas zu schließen. Auch die aktuelle Situation mit den School-Lock-Downs verschärfen die soziale Selektion im Bildungssystem noch ein weiteres Mal, da das Home-Schooling vor allem Familien mit geringem Kapital, niedrigem Bildungsniveau der Eltern und knappem Wohnraum trifft.

Problematisch sehe ich diese Tatsache aber nicht nur deshalb, dass geringes Bildungsniveau zu erschwertem Arbeitsmarktzugang führt, sondern auch, dass die Zuweisung von Funktion und Status in unserer Gesellschaft sehr stark von unserer schulischen und beruflichen Erstausbildung abhängig sind.

Es zeigt sich in der Statistik, dass der Umstieg auf eine höhere weiterführende Bildungseinrichtung nach der 8. Schulstufe noch schwieriger zu sein scheint. Diese Entwicklungen führen so bis in den tertiären Bildungssektor fort.

Ob ein Kind nun aber die Möglichkeit bekommt die schulische Laufbahn nach der Primarstufe im Gymnasium fortzusetzen oder nicht hängt nicht nur vor allem von sozialen, wirtschaftlichen und geografischen Aspekten ab. Zudem liegt die Entscheidung der schulischen Laufbahn eines Kindes bei den Eltern und der Empfehlung der Lehrer.  

Eltern die selbst mit sehr jungen Jahren in das Berufsleben eingestiegen sind, werden ihr Kind wahrscheinlich weder finanziell genug unterstützen können, noch gut nachvollziehen können, dass ihr Kind nach den Pflichtschuljahren noch jahrelang zur Schule gehen und womöglich noch studieren möchte. So bin ich sicher, dass Eltern eine  Erwartungshaltung und auch Druck auf ihre Kinder ausüben, der diese bewusst, oder unbewusst in einen Bildungsweg drängt.

Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass vor allem Erziehungsberechtigte über die unterschiedlichen schulischen Laufbahnen und späteren Möglichkeiten für ihre Kinder aufgeklärt werden sollten und bei deren Entscheidungsprozess unterstützt werden müssen. Ich bin davon überzeugt, dass vor allem Familien mit Migrationshintergrund oftmals zu wenig über das Schulsystem, mit den damit verbundenen Schwierigkeiten und Möglichkeiten, aufgeklärt sind.

Was kann gemacht werden um eine erfolgreiche schulische Laufbahn zu fördern und Kinder nicht zu separieren? Vielleicht sind ein verpflichtendes Kindergartenjahr, Ganztagsschulformen, Bildungsmonitoring und verschiedenste Unterstützungsprogramme für Jugendliche schon etwas zielführender, doch denke ich nicht, dass diese Maßnahmen einer Selektion entgegenwirken. Die Wiedereinführung von Noten in der Volksschule, Leistungsgruppen in der Hauptschule und auch die abgesonderten Deutschklassen tragen sicherlich auch nicht zu einer integrativen, gesamtheitlichen Schule bei. Bildungsausgrenzung kann mit diesen Rückschritten bestimmt nicht unterbunden werden.

Der österreichische Bildungsweg bereits nach der Primarstufe, spätestens dann nach der Sekundarstufe. Der Umstieg wird schwer, bis unmöglich gemacht. Der höchste Abschluss kann entweder zu einem Doktorat führen oder einem Meister o.ä. Erreicht man letzteren, berechtigt er aber nicht mit einem Master fortzusetzen. Dieser Abschluss ist nur gleichwertig, aber nicht gleichartig zu einem Bachelorabschluss. Somit würde man also nach einem Meisterabschluss mit einem Bachelor fortsetzen, sofern man die Hochschulberechtigung hat. Eine Anerkennung einzelner Kurse wird dabei komplett ausgeschlossen.  Alleine die Möglichkeit zu haben den Bildungsweg in einer „höheren Ebene“ fortsetzen zu können, oder wenigstens Kurse anerkannt zu bekommen, würde meiner meiner Meinung nach einen großen Unterschied machen und auch intrinsisch motivieren. Mit dieser Vorgehensweise wird aber der Lehrberuf absolut abgewertet missachtet.

Zudem sind diverse Förderprogramme und –möglichkeiten durch qualitätsvoller Elementarpädagogik, einem angedachten zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr, Kompetenzmessungen die zur individuellen Förderung dienen sollen, Lernanreize die gegeben werden sollen, Coaching, Diagnostik, Prävention, Intervention sowie individuelles Fördern, qualitative Weiterentwicklung der Ausbildung bis 18, für Kinder und Jugendliche bestimmt sinnvoll, doch so lange die Eltern nicht aufgeklärt werden und das Schulsystem selbst sich nicht ändert, wird es wahrscheinlich auch bei der Bildungsungleichheit und der frühen Selektion gezwungenermaßen bleiben müssen.