Geschlechterzuschreibungen im Schulwesen
Verfasserin: Lara Dürnberger
In Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollen rein rechtlich gesehen Mädchen und Jungen die gleiche Ausbildung erhalten. Dennoch lässt sich beobachten, dass die Ausbildungswege immer noch geschlechtsspezifisch verlaufen.
In dem Kapitel von Hannelore Faulstich-Wieland in dem Buch „Alle gleich – alle unterschiedlich“ wird diese Thematik behandelt. Den Geschlechtern werden spezifische Verhaltensweisen zugeschrieben: Jungen stören häufiger den Unterricht. Mädchen sind handwerklich vorsichtiger und langsamer. Sie sind sozialer und ordentlicher. Jungen verstehen den Stoff in MINT Fächern besser.
Seit der PISA Studie 2000 gibt es immer wieder Vorschläge zu einer homoedukativen Ausbildung zurückzukehren. Vor allem Mädchen hätten dadurch Vorteile in der Schule.
Doch warum reden wir von Geschlechtergleichheit, wenn wir Mädchen und Buben in deren Ausbildung trennen? Dadurch stecken wir Kinder und Jugendliche in Geschlechterrollen, die unsere Gesellschaft verlangt. Wie sollen wir also jedem Geschlecht gleichermaßen, die gleiche Ausbildung ermöglichen, wenn wir sie voneinander trennen und ihnen die Chance nehmen dieselbe Bildung wie das andere Geschlecht zu haben.
Candace West und Don Zimmermann sprechen von „doing gender“ und vertreten dabei die Meinung, dass der biologische Unterschied zwischen „männlich“ und weiblich“ nicht das Verhalten „natürlich“ steuert, sondern dass die Geschlechtszugehörigkeit bei der Geburt „erworben“ wird und dass das geschlechtsspezifisch zugeordnete Verhalten erlernt wird. Die Interaktion zwischen Menschen ist geprägt von der Bezugnahme auf das Geschlecht.
Lehrkräfte tragen wesentlich dazu bei, dass geschlechtsstereotypes Verhalten beibehalten wird. Durch ihr Verhalten fördern sie es sogar. Dazu einige Beispiele: Im Physikunterricht werden in koedukativen Klassen an Mädchen und Jungen oft unterschiedliche Wissensanforderungen gestellt. Mädchen werden eher Fragen zur Stoffwiederholung gestellt, während Jungs nach neuen Sachinhalten befragt werden. In meinem Physikunterricht in der Unterstufe war es so, dass fast nur die Jungen bei den Versuchen helfen durften. Wahrscheinlich dachte der Lehrer, dass Mädchen kein Interesse an Physik hätten.
Ich kann mich noch genau an die Aussage erinnern als ich ein „Nicht genügend“ auf meine Deutsch Schularbeit hatte, „Komisch, Deutsch ist doch eh ein Mädchenfach, normalerweise schreiben Burschen eher schlechtere Noten in Deutsch“. Damals habe ich das nicht wirklich ernst genommen. Jedoch nach dem Lesen dieses Kapitels, ging mir diese Aussage nicht mehr aus dem Kopf. Da stellt man sich natürlich die Frage, wieso sollte das so sein. Weder ist das Gehirn eines Burschen zu einem Mädchen anders, noch hat dies etwas mit einer motorischen Ausprägung zu tun. Weshalb werden dann solche Aussagen getätigt? Es gibt Mädchen die beispielsweise in Deutsch nicht so gut sind aber dafür in Mathe oder umgekehrt. Jeder Mensch hat Bereiche, in denen er/sie besser ist und schlechter. Dies hat aber nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern nur mit dem Interesse. Vielleicht sind Mädchen in Deutsch besser und manche Jungs in Mathematik besser, weil dies ihre „Genderrolle“ ist und sie sich deshalb interessieren.
Auch in einer Werkstunde kann man Zuweisung von Stereotypen beobachten: befragte Lehrkräfte meinen, Jungen seien mehr an Technik interessiert, würden schneller arbeiten und interessiert daran mit Maschinen zu arbeiten. Mädchen hingegen seien im Werkunterricht leiser und zaghafter.
Thies und Röhner (2000) fordern, dass Lehrkräfte mehr beobachten sollten: die Kinder, den Unterricht und vor allem die Interaktionsstrukturen. Diese Beobachtungen müssen aber mit einem gendersensiblen Blick durchgeführt werden und man muss genau hinsehen und die Gegebenheiten sehen. Es besteht nämlich andernfalls die Gefahr, dass diese Beobachtungen nur die vorgefertigten Annahmen bestätigen.
Geschlechtshomogener Unterricht löst das Problem der Zuordnung von stereotypen Verhaltenszuschreibungen nicht. Im koedukativen Unterricht ist das genaue Hinsehen auf die Geschlechter notwendig und förderlich für die Interaktion und das Lernen.
Lehrkräfte sollen und wollen Begeisterung für ihr Fach wecken. Es gibt aber nicht nur immer eine Möglichkeit Schüler/innen für ein Thema zu begeistern. Je mehr Anknüpfungspunkte an die Lebensumwelt der Schüler die Lehrkraft findet desto mehr Schüler wird sie erreichen. Jedes Kind hat andere Interessen und Neigungen, aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Geschlecht zu tun. Heterogener Unterricht kann also eine Chance sein, allen Kindern gerecht zu werden und auf ihre Neigungen und Interessen einzugehen und sie zu fördern.